Erfassung des Bamberger Reiters mittels handgeführtem 3D-Laserscanner (Quelle: P. Bellendorf)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Die Restaurierungswissenschaften verbindet Fragestellungen aus den Geistes- und Naturwissenschaften mit dem Ziel des dauerhaften Erhalts von Denkmalen und deren Ausstattung. Die Schwerpunkte liegen in der Kunsttechnologie, den Materialwissenschaften sowie den Konservierungswissenschaften. Das Fach beschäftigt sich dabei mit den unterschiedlichen Techniken der Substanzerhaltung, mit Methoden der präventiven - also vorbeugenden - Konservierung, aber ebenso mit Fragen der Wartung und Pflege und des Monitorings. Die Grundpfeiler des Faches sind dabei die Anamnese und Diagnose der substanziellen Veränderungen historischer Substanz und die Schilderung des Spektrums an Therapiekonzepten.

Insbesondere bei der Erfassung und der Analyse von historischen Be- und Zuständen kommen unterschiedliche zerstörungsarme, naturwissenschaftliche Methoden zum Einsatz. Neben dem Objekt selbst ist aber auch die Einbeziehung der Umgebung ein wesentlicher Bestandteil der Fachdisziplin. Hierzu gehört sowohl die Beeinflussung des Denkmals durch seine Umwelt, aber auch der Einfluss des Denkmals auf seine Umwelt.

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Die Professur der Restaurierungswissenschaften in der Baudenkmalpflege ist Teil der Fakultät der Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und dort Bestandteil des Instituts für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte (IADK). Fächer der Denkmalwissenschaften sind neben der Restaurierungswissenschaften die Denkmalpflege, die Digitalen Denkmaltechnologien und die Bauforschung/Baugeschichte

In der Lehre unterstützt das Fach den Masterstudiengang "Denkmalpflege - Heritage Conservation", den Masterstudiengang "Digitale Denkmaltechnologien" sowie das Nebenfach "Kulturgutsicherung".

Wesentliche Aufgabe des Lehrprofils ist die Vermittlung von naturwissenschaftlichen Grundlagen sowie Methoden rund um den Kulturguterhalt an Studierende vor allem aus den Geisteswissenschaften.

Im Jahr 2016 wurde in Bamberg das Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) gegründet, in welchem sich die vier Fächer der Denkmalwissenschaften vereinen. Ziel des KDWTs ist es, die facettenreichen Themenfelder des Kulturerbes und der Denkmalpflege interdisziplinär zu erforschen und deren gesellschaftliche Relevanz zu vermitteln. Um dies zu erreichen wird der Wissens- und Technologietransfer zu außeruniversitären Einrichtungen vertieft und gleichzeitig findet ein Ausbau der technischen Kompetenz sowie eine Ergänzung des Lehrangebots statt.

Von der Gründung des KDWTs haben die Restaurierungswissenschaften in zweierlei Weise profitiert: So konnte das naturwissenschaftliche, an die Fragestellungen des Kulturguterhalts angepasste Labor neue Räume beziehen und zusätzlich wurden der Professur über das KDWT die für den Betrieb des Labors notwendigen Personalstellen zugewiesen.

Von der Einrichtung des KDWTs hat das kleine Fach der Restaurierungswissenschaften sowohl im Bereich der Forschung als auch der Lehre substanziell profitiert. Die Infrastruktur des Kompetenzzentrums ermöglicht eine verstärkte interdisziplinäre Forschung mit universitären und außeruniversitären Partnern. Die Ergebnisse von Forschungsprojekten können so direkt in der Lehre an die Studierenden vermittelt werden.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Das Fach der Restaurierungswissenschaften lebt von seiner Interdisziplinarität. Die Kombination von Fragestellungen, Methoden und Lösungsvorschlägen aus den Natur- und Geisteswissenschaften stellt ein großes Potential für das Fachs dar. Auf der anderen Seite ist just diese Interdisziplinarität aber ein nicht unerhebliches Hindernis für eine Wahrnehmung innerhalb des deutschen Hochschul- und vor allem auch Forschungsförderungssystems. Für die Geisteswissenschaften sind die Fragestellungen häufig zu naturwissenschaftlich, für die Naturwissenschaften hingegen zu wenig Grundlagenforschung und nicht innovativ genug. Die Restaurierungswissenschaften lassen sich aber eben nicht einer Disziplin zuordnen, sondern müssen aufgrund der Vielschichtigkeit der Fragestellungen über die historisch gesetzten Fächergrenzen hinweg agieren. Da bis heute aber teilweise noch in den etablierten Strukturen und Fächerzuordnungen gedacht wird, tun sich die Restaurierungswissenschaften, wie viele andere interdisziplinäre Fächer, schwer in einer sektoral gegliederten Wahrnehmung.

Auf der anderen Seite ist der Kunst- und Kulturgüterschutz in alle Altersklassen hinein anschaulich und leicht vermittelbar. Um die Öffentlichkeit an den Forschungen des KDWTs teilhaben zu lassen und über die Aktivitäten zu informieren wird beispielsweise jährlich ein Tag der offenen Tür veranstaltet. Hier haben Bürger und Kollegen aus der Universität die Möglichkeit, sich vor Ort über die aktuellen Arbeiten des KDWTs in Forschung und Lehre zu informieren.

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Die Restaurierungswissenschaften sind stark von der Vernetzung mit anderen Fächern abhängig. Der denkmalgerechte und langfristige Erhalt von Kunst- und Kulturgut erfordert die Zusammenarbeit mit einer Reihe von unterschiedlichen Disziplinen. Je nach Objekt, Erhaltungszustand und Umgebung müssen Denkmalpflege, Bauforschung, (Kunst-)Geschichte, Archäologie, Chemie, Physik oder auch Biologie oder Klimaforschung involviert werden.

Wichtig ist uns dabei die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Im Bereich der Denkmalpflege kommt es beispielsweise in der Praxis immer wieder zum Dissens mit dem Naturschutz. Vertreter beider Disziplinen beharren dabei auf ihren Standpunkten und Anforderungen, die bisweilen systembedingt konträr zueinander sein können. In unterschiedlichen Projekten konnte aber gezeigt werden, dass sich Denkmal- und Naturschutz nicht ausschließen müssen. Dies erfordert aber von den Beteiligten, dass sie bereit sind die Argumente des Gegenübers anzuhören und auch die Beweggründe für das jeweilige Handeln zu verstehen. Gemeinsam lassen sich so Lösungen finden, die die Anforderungen der Denkmalpflege und des Naturschutzes vereinen.

Die Bereitschaft sich für andere Disziplinen zu öffnen und diesen Raum zu geben ist nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre der Restaurierungswissenschaften stark verankert. Eine Vernetzung mit anderen Fachdisziplinen ist für den Kulturgüterschutz im Allgemeinen und für die Restaurierungswissenschaften im Speziellen unerlässlich und Grundlage für einen nachhaltigen und auf Dauer angelegten Erhalt von Kunst- und Kulturgut.

5. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Das sich ändernde Klima hat auch Auswirkungen auf den Erhalt von Kunst- und Kulturgut. So wurden beispielsweise nach den trockenen und warmen Wochen im Sommer 2018 und 2019 Schäden an Ausstattungen von Kirchen in Mitteldeutschland festgestellt, die in dieser Form bislang noch nicht beobachtet wurden. Historische Garten- und Parkanlagen verzeichnen bereits seit mehreren Jahren zunehmend Probleme mit dem sich ändernden Klima, z. B. auch durch Starkregenereignisse, verlängerte Vegetationsperioden oder der Einwanderung nicht heimischer Arten.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Kunst- und Kulturgut sind aber bislang zu wenig erforscht. Hier sind dringend interdisziplinäre Forschungsprojekte notwendig, die grundlegende Fragestellungen rund um das Klima und das Kulturgut beantworten. Dazu gehört beispielsweise auch die Frage nach den möglichen Grenzwerten für den Wechsel von Temperatur und relativer Luftfeuchte. Ab wann tritt bei welchem Material ein Schaden auf und wie definieren wir eigentlich einen Schaden im Kulturgüterschutz?

Was wir brauchen ist ein groß angelegtes Verbundprojekt, in Analogie zu dem ehemaligen BMFT/BMBF-Projekt "Naturwissenschaftliche Forschung in der Denkmalpflege" der 1980/90er Jahre. Damals wurden - analog zu den Forschungen rund um das Waldsterben - für die Denkmalpflege richtungsweisende Projekte finanziert und durchgeführt, welche wegweisend für den naturwissenschaftlichen Umgang mit dem Denkmal waren und bis heute sind. Im Rahmen des Verbundprojektes konnte sich auch eine Fachcommunity entwickeln, die im Nachgang an die grundlegenden Forschungsprojekte wichtige Stellen in Forschung und Lehre besetzt haben. Die Generation an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geht jetzt aber dem Ruhestand entgegen. In Deutschland haben wir es leider verpasst, für einen qualifizierten und interdisziplinär geschulten Nachwuchs zu sorgen bzw. es nicht geschafft, Anreizsysteme für junge Wissenschaftler vor allem aus den naturwissenschaftlichen Disziplinen vorzuhalten, sodass diese einen Wechsel in die Fachdisziplin des Kulturgüterschutzes und damit auch in die Restaurierungswissenschaften in Betracht ziehen.

Ein größer angelegtes Verbundprojekt rund um das Thema Klimawandel und Kulturgüterschutz könnte in Analogie zu den ehemaligen BMFT/BMBF-Projekten den Impuls erzeugen, der Deutschland im Bereich des Kulturgüterschutzes auch wieder an die Forschungen der Europäischen Länder zumindest aufschließen ließe.

Paul Bellendorf hat seit 2018 die Professur für Restaurierungswissenschaften in der Baudenkmalpflege an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg inne. Zuvor leitete er das Referat "Umwelt und Kulturgüter" bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und war Leiter des Fachbereichs "Umweltmonitoring und Kulturgüterschutz" am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg (Außenstelle Bronnbach). Sein Forschungsinteresse gilt insbesondere dem Bereich Klimawandel und Kulturgüterschutz. Für weitere Informationen: https://www.uni-bamberg.de/restaurierungswissenschaft/personen/bellendorf/