Yny Lhyvyr hwnn Titelseite ((c) National Library of Wales)

Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Kern der Keltologie sind die keltischen Sprachen und die in ihnen verfassten Texte in ihren kulturellen und historischen Zusammenhängen in der Vergangenheit und in der Gegenwart.

Heute sind diese zum einen das Irisch-Gälische, die erste offizielle Sprache Irlands, das Schottisch-Gälische, das immer noch in den Highlands und auf den Inseln im Nordwesten Schottlands gesprochen wird, das Manx-Gälische auf der Insel Man, das nach dem Tod der letzten Sprecher jetzt wiederbelebt wird, zum anderen das Kymrische (auch Walisisch genannt) in Wales, das Bretonische, die einzige heute auf dem Kontinent benutzte keltische Sprache, sowie das im 19. Jahrhundert ausgestorbene, aber mittlerweile auch revitalisierte Kornische in Cornwall. In diesen Sprachen wurden seit dem Mittelalter bzw. der Frühen Neuzeit Texte verfasst, die den Hauptgegenstand der Keltologie bilden.

In diesem Verständnis ist die Keltologie ein in der deutschen Hochschullandschaft lange etabliertes Fach, das als eine philologische Disziplin im 19. Jahrhundert entstand. Davon abzugrenzen ist die Beschäftigung mit den materiellen Hinterlassenschaften der antiken eisenzeitlichen Kelten, die universitär traditionell im Rahmen der Archäologie und Vor- und Frühgeschichte erforscht werden.

Zurzeit gibt es in Deutschland eine keltologische Professur an der Philipps-Universität Marburg und eine keltologische Tenure-Track-Professur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In Marburg, geleitet von Prof. Alderik Blom, werden ein BA Keltologie sowie ein MA Keltologie mit Schwerpunkten bei den mittelalterlichen Sprachen und Literaturen angeboten. In Bonn ist die Keltologie stärker gegenwartsorientiert. Das Studium sieht die intensive Beschäftigung mit einer modernen keltischen Sprache (Irisch-Gälisch oder Kymrisch) vor, daneben aber auch mit mittelalterlichen Sprachen und Literaturen. Im Moment ist das Studienangebot formal als Nebenfach im BA klein, weil die Professur lange nicht besetzt war und der Studiengang nur durch heldenhafte Anstrengung des Mittelbaus und des engagierten Fachausschusses am Leben gehalten wurde - mit dem Neuanfang erhoffe ich für die Zukunft eine Erweiterung.

Außerhalb von Deutschland ist die Keltologie universitär in den keltischen Mutterländern Wales, der Bretagne, Irland und Schottland vertreten, aber zum Beispiel auch in den Niederlanden, England, Polen, den USA und Kanada.

Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

In Bonn ist Keltologie am Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Philosophischen Fakultät eingesiedelt und ich bin von dieser Konstellation sehr begeistert.

Die keltischen Sprachen werden heute mit der Ausnahme des Bretonischen in englischsprachigen Ländern gesprochen und es ist aus vielen Gründen sinnvoll und nützlich, mit den Anglist:innen in Forschung und Lehre in enger Kooperation zu stehen. Die häufigste Fächerkombination bei uns ist Hauptfach 'English Studies' und Nebenfach 'Keltologie' - und so ist es unsere Hoffnung, dass wir zu einem besseren Verständnis der Multikulturalität und Diversität auf den Britischen Inseln vom Mittelalter bis in die Gegenwart beitragen können.

Auch in der Forschung ergeben sich spannende Synergien mit den Kolleg:innen. Wie schon oben erwähnt, ist das Studienangebot in der Keltologie in Bonn zurzeit recht klein, aber ich hoffe, dass es mit der Zeit größer werden wird - sowohl durch einen Ausbau der eigenen Studiengänge als auch mittels mehr Kooperation innerhalb der schon existierenden interdisziplinären Studiengänge, wie zum Beispiel dem höchst interessanten Master-Studiengang 'Mittelalterstudien', für den die Keltologie viel anzubieten hat.

Auch die Ebene der Philosophischen Fakultät sehe ich als vielversprechend für die Entwicklung eines Kleinen Faches wie der Keltologie - das Interesse an den Kleinen Fächern ist deutlich zu spüren, viele Verbundprojekte sind im Werden und werden gefördert, so dass auch hier eine fruchtbare Interaktion erwartbar ist.

Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Es gibt sicherlich mehrere Gründe, dass die Keltologie in der Öffentlichkeit nicht sehr sichtbar ist - ich gehe hier nur auf zwei ein. Der erste ist sicherlich für viele Kleine Fächer relevant, nämlich der Arbeitsmarkt.

Keltologie ist kein Schulfach, so dass es keine Lehramtsstudierenden gibt und entsprechend kein Berufsbild. Die Aussichten auf eine feste universitäre Anstellung sind für Absolvent:innen unseres Studiengangs (wie auch für diejenigen anderer Kleiner Fächer) entsprechend der prekären Situation der deutschen wissenschaftlichen Landschaft gering. Auch deshalb wird unser Fach nur von einer relativ geringen Zahl von Studierenden gewählt.

Hinsichtlich der Sichtbarkeit des universitären Fachs 'Keltologie' in der Öffentlichkeit gibt es noch ein spezifisches Problem. Das öffentliche Interesse an den Kelten, die z.B. auch in Deutschland siedelten, ist beträchtlich, wie die Anzahl von Dokumentationen im Fernsehen, aber auch Ausstellungen und Bücher zeigen. Dies sind aber die "archäologischen" Kelten der Antike bzw. der Vor- und Frühgeschichte, die keine oder kaum nennenswerte schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben - die universitäre Keltologie befasst sich aber, wie oben beschrieben, traditionellerweise mit Sprachen und Texten. Weil aber diese Texte erst mittelalterlich oder später sind, also aus einer Zeit, zu der die keltischen Gebiete schon längst christianisiert waren, kann man aus ihnen kaum etwas über die 'heidnische' keltische Religion und Mythologie erfahren. Dieses Thema findet von der Antike bis heute viel allgemeines Interesse wegen der angenommenen Andersartigkeit und Archaik dieser Religion/Mythologie, wobei unser Fach darüber aber nur wenig sagen kann. Da in der Öffentlichkeit häufig verzerrte Bilder von z.B. Miraculix-ähnlichen Druiden existieren, werden manchmal Erwartungen an die Inhalte des Faches herangetragen, die dieses dann nicht erfüllen kann.

Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Keltologie ist ein etabliertes Fach in der deutschen Hochschulkultur und weltweit. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass trotz dieser Eigenständigkeit die Vernetzung mit anderen Fächern für ein Kleines Fach wie unseres überlebenswichtig ist. Sie ist sowohl inhaltlich als auch strukturell notwendig.

Unser Fach hat innerhalb und außerhalb Deutschlands eine lange Geschichte, und die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen ist schon historisch angelegt. So waren für die Fragen, die am Anfang der Keltologie standen, die Erforschung der mittelalterlichen Sprachen und Texte, die Zusammenarbeit z.B. mit der Vergleichenden Sprachwissenschaft, der Klassischen Philologie, (Alt-)Romanistik, der Geschichte und der Paläographie zentral.

In der heutigen Zeit ist die Zusammenarbeit mit anderen Fächern noch wichtiger geworden - viele neue Fragestellungen und methodische Anregungen kommen aus der Auseinandersetzung mit Entwicklungen in anderen Disziplinen, z.B. in der allgemeinen Linguistik, der Korpuslinguistik, den Text- und Kulturwissenschaften - man denke an new philology oder feministische und post-koloniale Fragestellungen. Letztere sind gerade für die keltischen Gebiete als 'innere Kolonien' relevant.

Ein weltweit kleines Feld wie das unsere kann auch personell nicht exklusiv existieren: viele Keltolog:innen sind quasi 'Quereinsteiger' und bringen Einsichten aus ihren ursprünglichen Disziplinen mit. Auch ich bin eine solche Quereinsteigerin, habe Linguistik studiert und in der Linguistik promoviert - und ich finde die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen mit einem eher "klassischen" keltologischen Werdegang höchst spannend und produktiv, weil wir teilweise unterschiedliche Perspektiven haben, die sich gewinnbringend ergänzen.

Ich leite zurzeit ein Projekt zusammen mit Prof. i.R. Erich Poppe (Universität Marburg), das von der DFG im Rahmen des Schwerpunktprogramms 2130 "Übersetzungskulturen der Frühen Neuzeit" gefördert wird - und das ist eines der spannendsten wissenschaftlichen Erlebnisse meines Forscherinnenlebens. Das Schwerpunktprogramm ist sehr interdisziplinär ausgerichtet - es gibt Einzelprojekte aus den größeren Fächern wie Germanistik, Romanistik, Geographie oder Geschichte der Frühen Neuzeit, aber auch aus anderen Kleinen Fächern wie Judaistik und Wissenschaftsgeschichte. Aus diesen anderen Projekten lässt sich methodisch sehr viel lernen, woraus sich dann neue eigene Ideen und Forschungsperspektiven entwickeln.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Faches? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Die Vergangenheit und die Gegenwart stellen uns vor verschiedenste Herausforderungen - und da die Triaden in den Kulturen von Wales und Irland eine große Rolle haben, erwähne ich hier nur drei.

Die erste Herausforderung ist Brexit - wir sind ein Fach, das stark auf die Kooperation mit Institutionen in Wales, Schottland und Nordirland angewiesen ist, und der Austritt von Großbritannien aus der EU hat viele Programme, zum Beispiel Erasmus, in Frage gestellt oder gar beendet. Es gibt zwar einen kleinen Schimmer der Hoffnung, dass die Zusammenarbeit für manche Institutionen so wichtig ist, dass individuelle Verträge und andere Formen der Kooperation entwickelt werden können, aber in einer schönen Zukunft würde man sich über die Erneuerung und den Ausbau der Zusammenarbeit in Lehre und Forschung mit mehreren Partnerinstitutionen in Großbritannien sehr freuen.

Die zweite Herausforderung ist die prognostizierte demographische Schrumpfung der Studierendenzahlen. Diese könnte ein Problem für den gewünschten und angestrebten Ausbau des Faches werden. Zugleich muss man aber festhalten, dass das Fach eigentlich schon immer mit relativ kleinen Studierendenzahlen existiert, und dies schafft den Vorteil einer ganz anderen Betreuungssituation als in den großen Fächern. Wir können die Studierenden individuell begleiten, sie können uns schon in der Lehre bei der Forschung beobachten und so entsteht eine Fachkultur, die nicht auf Zahlen, sondern auf einem gemeinsamen inhaltlichen Interesse beruht.

Die dritte Herausforderung mag nach einem aktuellen Hype klingen, wird aber die gesamte Zukunft der Hochschule bestimmen - das ist die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Wir sehen, wie schnell sich die Technologien entwickeln und dass viele menschliche Kompetenzen demnächst von den Maschinellen überholt werden. Dazu kommt noch die konkrete Versuchung, glatte Hausarbeiten mit KI zu schreiben. Interessanterweise hat ein kleines Fach wie Keltologie hier gewisse Vorteile vor einem größeren - weil KI von big data lebt, werden die fachlichen Informationen in unserem Gebiet für die Maschine schwieriger, vielleicht sogar unmöglich zu sammeln sein. Wir können uns andererseits manche Vorteile aus den technologischen Entwicklungen versprechen, in dem wir zum Beispiel mittelalterliche Handschriften mit Hilfe der KI bald einfacher transkribieren können, aber unsere eigenen Fähigkeiten bei der Interpretation und Entdeckung von Zusammenhängen bleiben unübertroffen. Und weil sich unsere Studierende auch zukünftig im Studium immer noch viel Wissen selbst aneignen und interpretieren, und auch solche Soft Skills wie Diversitäts- und Alteritätserfahrung entwickeln müssen, werden sie über Kompetenzen verfügen, die sie für den Arbeitsmarkt hervorragend qualifiziert.

In der Zukunft würde ich mir die Existenz von mehreren Professuren der Keltologie bzw. mit einem Fokus auf den keltischen Gebieten (z.B. in den Geschichtswissenschaften) in Deutschland wünschen, die einander ergänzen und miteinander und mit den Forschenden auf der ganzen Welt in regem Austausch stehen, die sowohl bei der individuellen Betreuung der Studierenden als auch bei Grundlagenforschung und interdisziplinären Projekten und deren Vermittlung an die Öffentlichkeit zusammenarbeiten und die sowohl die neusten Technologien wie auch die reichen Traditionen unseres Faches nutzen.

Elena Parina ((c) Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)

Elena Parina hat seit dem Jahr 2022 eine W1-Professur für Keltologie (mit Tenure Track) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn inne. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an Drittmittelprojekten und Alexander von Humboldt-Stiftung-Stipendiatin an der Philipps-Universität Marburg tätig. Weitere akademische Stationen waren das Institut für Sprachwissenschaft der Russischen Akademie der Wissenschaften und die Lomonossow-Universität Moskau. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die walisische Sprache und Kultur vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Translational Studies und Kontaktlinguistik. Zudem ist Prof. Parina Korrespondentin der kymrischsprachigen Rundfunkstation BBC Cymru. Weitere Informationen