"mainz1184. Der Traum von Liebe und Ritterschaft - Eine literarisch-musikalische Soiree" (Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Bei der Theaterwissenschaft handelt es sich insofern um ein kleines Fach, als dass im deutschsprachigen Raum inklusive der Institute in Bern und Wien lediglich 14 Fachstandorte zu verzeichnen sind. Dabei können für das Fach, welches 1923 von dem jüdischen Berliner Germanisten Max Herrmann gegründet wurde, heute drei zentrale Arbeitsbereiche differenziert werden. 1. Analyse von Theateraufführungen; 2. Theatergeschichte; 3. Theatertheorie. Während es sich bei der Analyse von Theateraufführungen um den klassischen Gegenstand des Faches handelt, wird insbesondere im Bereich Theatertheorie die gesellschaftliche Relevanz der Theaterwissenschaft deutlich. Denn mit der interdisziplinären Ausrichtung des Faches - sowohl kultur- als auch medienwissenschaftlich - steht neben der klassischen Analyse von Aufführungen heute auch verstärkt die Untersuchung der Darstellung in sozialen Medien im Fokus. Theaterwissenschaftler*innen sind also Expert*innen für Darstellung in jeder Form und an jedem Ort.

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Das theaterwissenschaftliche Institut in Mainz ist seit seiner Gründung 1991 von einem engen Dialog mit den breit und vielfältig aufgestellten Philologien an der Johannes Gutenberg-Universität geprägt. So bildete sich die theaterwissenschaftliche Professur aus dem philologischen Interdisziplinären Arbeitskreis (IAK) Drama und Theater heraus. Die Volluniversität als gegebene Struktur hat die Gründung der Theaterwissenschaft darüber hinaus positiv unterstützt. Die Volluniversität als gegebene, schon langfristige Struktur zusammen mit der Einrichtung der Mainzer Forschungsschwerpunkte in der Förderpolitik hat die Theaterwissenschaft in Mainz so stark gemacht, dass sie seit 6 Jahren in der DFG-Forschungsgruppe 1939 Un/doing Differences mit vertreten ist, die unter interdisziplinärer Erweiterung auf insgesamt 18 Professuren gegenwärtig den Vollantrag auf einen DFG-Sonderforschungsbereich (SFB) 1384 Humandifferenzierung stellt. Heute zeichnet sich der Standort Mainz mit Blick auf die Theaterwissenschaft durch einen - deutschlandweit - einzigartigen Fächerverbund aus. Der Zusammenschluss mit Filmwissenschaft, Mediendramaturgie, Medienkulturwissenschaft und empirischer Kulturwissenschaft zu einem Department steigert die Attraktivität für Studierende. Die gestiegenen Studierendenzahlen für das Fach Theaterwissenschaft in Mainz können u.a. auf diesen Verbund zurückgeführt werden. Infolgedessen sind wir von der Universitätsleitung auch als einer der Hotspots der Universität identifiziert worden und werden eine weitere Professur für Alltagsmedien und digitale Kulturen mit einer entsprechenden Mitarbeiterstelle schaffen können. Der Mainzer Fachstandort ist für die Studierenden auch deshalb attraktiv, weil er es ihnen ermöglicht, im Masterstudium spezifische Schwerpunkte zu wählen - "Theater als Aufführungswissenschaft", "Theater als Kulturwissenschaft" und "Medienwissenschaft". Die Theaterwissenschaft ist somit hochgradig anschlussfähig und sichtbar. Deutlich wird das auch durch die hohe Anzahl an Studierenden, die von anderen Universitäten an das Institut kommen.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Insbesondere der Sonderforschungsbereich 447 Kulturen des Performativen an der FU Berlin (Sprecherin: Erika Fischer-Lichte) hat seit Ende der 1990er Jahre dem Fach zu einer hohen Sichtbarkeit verholfen, da er auch über die Grenzen der Geisteswissenschaften hinaus einen hohen Bekanntheitsgrad aufwies. Betrachten wir speziell die Sichtbarkeit der Theaterwissenschaft hier vor Ort, so ist zu konstatieren, dass es durch die Kooperation zwischen dem Institut und dem Staatstheater Mainz eine hohe regionale Sichtbarkeit gibt. Durch die Übernahme von Lehraufträgen und durch wechselseitige Hospitationen wird aber nicht nur dies dauerhaft gewährleistet, sondern auch die Durchlässigkeit für Studierende erleichtert. So finden viele der Mainzer Absolvent*innen ihre erste Arbeitsstelle am Mainzer Staatstheater. Die Gegebenheit der regionalen Sichtbarkeit und die daraus resultierende Durchlässigkeit für Studierende ist ein Phänomen, welches für viele Theaterstädte im Rhein-Main-Gebiet festzustellen ist.

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Infolge der Zusammenarbeit mit den benachbarten Geistes- und Sozialwissenschaften (Amerikanistik, Linguistik, Soziologie, Ethnologie, empirische Kulturwissenschaft) hier am Standort Mainz und den somit entstehenden interdisziplinären Verbünden wird das eigene Denken in radikaler Weise vorangetrieben. Die Interdisziplinarität ermutigt dazu, das eigene Fach aus einer anderen, neuen Perspektive zu betrachten. Denn die Zusammenarbeit bedeutet auch, das eigene Fach grundsätzlich "von den Rändern her" zu denken, weil die eigenen Methoden und der eigene Fachgegenstand beständig nach außen übersetzt werden müssen. Aus diesem Umstand heraus können aus den interdisziplinären Verbünden viele neue und herausfordernde Fragestellungen hervorgehen, welche sich bei ausschließlicher Auseinandersetzung mit dem eigenen Fachgegenstand nicht ergeben. So ist infolge der interdisziplinären Zusammenarbeit mit benachbarten Disziplinen die bereits genannte Forschungsgruppe entstanden.

5. Wie sehen Sie die Zukunft des Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Eine personelle Expansion der Theaterwissenschaft bundesweit scheint, trotz der verhältnismäßigen Beständigkeit der Studierendenzahlen, eher unwahrscheinlich. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten 15 Jahren nur sechs Professor*innenstellen frei werden, so dass der Stellenmangel ein Problem für unsere Nachwuchsförderung sein wird. In den nächsten Jahren werden keine nennenswerten Erweiterungen des Fachs um weitere Professuren erwartet, das ist aber für junge Forscher*innen ein ganz wesentliches Kriterium, um sich für diesen beruflichen Werdegang zu entscheiden. Inhaltlich muss sich die Theaterwissenschaft in Zukunft zunehmend gesellschaftlichen Fragestellungen öffnen und Kooperationen beispielsweise in den Natur- und Humanwissenschaften finden. Denn eine der zentralen Aufgaben der Theaterwissenschaft sehe ich darin, sich damit zu beschäftigen, wie Klimawandel und globale Wirtschaftsbewegung zur Darstellung gebracht werden. Ein weiteres Projekt hier in Mainz bezieht sich auf die sehr enge Verbindung zwischen der Geschichte frühneuzeitlichen Komödienspiels und der Geschichte der Medizin. Dieses Projekt "Staging Health" wird in Kooperation mit der Rudolf Frey Lernklinik der JGU und der London Guildhall School of Music & Drama zur Ausbildung von Trainer*innen für Hebammen, Clown Doctors und Simulationspatient*innen entworfen. Insgesamt ist die Theaterwissenschaft ein spannendes Fach, weil sie - auch von ihrem traditionellen methodischen Rüstzeug her - das wahrscheinlich wissenschaftskritischste Fach hinsichtlich der für es zentralen Reflexion auf die Unhintergehbarkeit subjektiver Betrachter*innenperspektiven gegenüber dem Forschungsgegenstand überhaupt ist.

Dr. Friedemann Kreuder ist seit 2005 Professor für Theaterwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2007, 2008 und 2010 hatte er verschiedene Gastdozenturen in Karlsruhe (ZKM), Dublin, Hull und Tel Aviv und ist seit 2013 Teilprojektleiter DFG-Forschungsgruppe Un/doing Differences. Darüber hinaus ist er seit 2016 Mitherausgeber der Reihe manuscripta theatralia in der V&R unipress (Göttingen), Mainz University Press (Mainz) und Vienna University Press (Wien). Weitere Infos unter https://theater.ftmk.uni-mainz.de/personen/univ-prof-dr-friedemann-kreuder/