Gehäkelte Korallen des partizipativen Kunstprojekts Satellite Reef, ausgestellt im Museum Frieder Burda in Baden-Baden im Jahr 2022 ((c) Anne-Marie Grundmeier).

Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Das Lehrangebot der Mode- und Textilwissenschaften verbindet wissenschaftliche, didaktische und gestalterische sowie textilkünstlerische Konzepte, die in der Lehramtsbildung und lehramtsaffinen Studiengängen an die Alltagskultur und Lebenswelten anknüpfen sowie die kreative Auseinandersetzung mit der materiellen Kultur Textil zum Inhalt haben. Wesentlich für die Konzeption des Textilstudiums ist die Integration von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Fachpraxis mit den jeweils spezifischen Lehr- und Lernmethoden. Die Besonderheit der Studienfächer der Mode- und Textilwissenschaften liegt in der forschenden Auseinandersetzung mit und der Reflexion der materiellen Kultur Textil mittels wissenschaftlicher Analysen von Textilien und Bekleidung sowie der ästhetischen Textilpraxis.

Ziel des Studiums ist vor allem der Erwerb fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und gestalterischer Kompetenzen im Bereich der materiellen Kultur Textil für den Lehrer*innenberuf. Die Studienzeit des modular aufgebauten Lehramtsstudiums umfasst im Bachelorstudiengang in der Regel sechs und im Masterstudiengang vier Semester. Dazu gehört eine Schulpraxisphase, die als sogenanntes integriertes Semesterpraktikum über ein ganzes Semester gehen kann. Der Abschluss Master of Education berechtigt zum Vorbereitungsdienst. Zum Studium gehören bildungswissenschaftliche Studieninhalte wie Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Grundfragen der Bildung und inklusive Bildung sowie mindestens ein weiteres Fach.

Textilbezogene Veranstaltungen zur Vermittlung des professionsorientierten Fachwissens bieten einen Überblick über die materielle Kultur Textil vor allem mit Bezug zur Alltagskultur. Zu den Inhalten zählen historische und gegenwärtige textile Materialien und Objekte, die Wertschöpfungsketten und Konsumption von Textilien und Bekleidung, Methoden der kulturwissenschaftlichen Textil- und Kleidungsforschung, der Objektanalyse und ‑interpretation, der medialen Verbreitung von Mode usw. Studierende ordnen Textilien und Bekleidung in interdisziplinäre Kontexte ein, bewerten diese und erarbeiten Quellen und Forschungsliteratur der Mode- und Textilwissenschaften und anderer Fachdisziplinen wie den Kultur- und Sozialwissenschaften, der Ethnologie, der Kulturanthropologie, der Kunst und Kunstgeschichte, aber auch der Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Textikdruck in der Grundschule ((c) Anne-Marie Grundmeier).

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein elementares Bildungskonzept des Lehramtsstudiums. Dabei interessieren Fragen nach den Wechselwirkungen zwischen Design, Produktion und Konsum, Ökonomie, Ökologie und sozialen Aspekten. In den fachpraktischen Studien zur materiellen Kultur Textil werden textilgestalterische Fähigkeiten und Fertigkeiten, Kreativität sowie die Befähigung zur selbständigen Projektarbeit gefördert. Studierende erarbeiten textilgestalterische Themen und reflektieren diese unter didaktisch-methodischer Perspektive.

Aus den Lehramtsstudiengängen heraus haben sich Studienangebote in lehramtsaffinen Studiengängen entwickelt, die eine außerschulische Vermittlung der materiellen Kultur Textil im Sinne der Kulturvermittlung bzw. des Kulturmanagements beispielsweise in Museen zum Ziel haben und eher forschungsorientiert sind. Diese Studienprofile mit dem Abschluss Bachelor oder Master of Arts werden gemeinsam mit den Studienfächern Kunst und Kunstgeschichte und/oder der Ethnologie, den Kulturwissenschaften sowie der Kulturanthropologie beispielsweise an den Universitäten Dortmund, Oldenburg und Paderborn angeboten. In Kooperation mit den Hochschulen für angewandte Wissenschaften und künstlerischen Hochschulen etablieren sich die Modewissenschaft und Modebildung, sogenannte Fashion Education, als eigener Lehr- und Forschungsschwerpunkt, die aus der Modetheorie hervorgegangen sind.

Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Die Pädagogische Hochschule (PH) Freiburg ist eine bildungswissenschaftliche Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht. Das Institut für Alltagskultur, Bewegung und Gesundheit, zu der auch die Fachrichtung Mode und Textil gehört, ist eines von sechs Instituten in der Fakultät für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik. Die Fachrichtung ist somit in einer Fakultät angesiedelt, die sich vor allem mit naturwissenschaftlich-technischen Themen auseinandersetzt. Die Inhalte sind im Studienfach Alltagskultur und Gesundheit (AuG) verankert und damit in der Studienfachbezeichnung nicht sichtbar. Bei AuG handelt es sich um ein Doppelfach. Jedem Modul ist ein inhaltlicher Schwerpunkt zugeordnet, der aus der Perspektive der beiden Fachrichtungen Ernährung und Konsum oder Mode und Textil beleuchtet wird. Die Fachrichtung Mode und Textil bedient damit 50 Prozent des Studienfaches in den lehramtsbezogenen Bachelor- und im Masterstudiengängen.

Mittels Lasertechnologie nachhaltig veredelte Jeans, ausgestellt auf der Techtextil 2022 ((c) Anne-Marie Grundmeier).

Durch die Einbettung in eine naturwissenschaftlich-technische Fakultät erfolgt in Lehre und Forschung eine eher technologische, ökologische und ökonomische Ausrichtung der Mode- und Textilwissenschaften, zumal auch bezogen auf die Schulfächer wie den Sachunterricht und Alltagskultur, Ernährung und Soziales (AES) eine Zusammenarbeit mit den Studienfächern dieser Fakultät erforderlich ist. Darüber hinaus gibt es Verbindungen in die ästhetischen Fächer Kunst, Musik und Theater beispielsweise über gemeinsame Module im Bachelorstudiengang Kindheitspädagogik oder auch fakultätsübergreifende Projekte. Ein gemeinsames Bestreben besteht in der Etablierung des Artistic Research im Rahmen von Promotionsvorhaben.

Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

In der Lehramtsbildung hat die Fachrichtung als ehemaliger Handarbeitsunterricht eine Genese in der Mädchen- und Frauenbildung. Noch im zwanzigsten Jahrhundert sollten Mädchen für ihre spätere „Bestimmung“ zur Hausfrau erzogen werden, wozu die Vermittlung textiler Techniken und der Wäschepflege gehörte. Dementsprechend vorurteilsbehaftet ist die öffentliche und auch hochschulische Wahrnehmung der Studienfächer, die sich mit der materiellen Kultur Textil in der Lehramtsbildung beschäftigen, hinsichtlich einer modernen Genderkonstruktion und aktuell bedeutsamer Studieninhalte und Kompetenzen. Hinzu kommt eine geringere Sichtbarkeit der Fachrichtung Mode und Textil, welche auf die fehlende Nennung beispielsweise im Studienfach AuG an den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg zurückzuführen ist. In Berlin ist das lehramtsbezogene Textilstudium Teil der Arbeitslehre. So variieren die Studienfachbezeichnungen von Bundesland zu Bundesland, die größte Sichtbarkeit zeigt sich in Bezeichnungen wie „Textilgestaltung“ oder „Textillehre“. Das Studienfach wird nicht in allen Bundesländern im Lehramtsstudium angeboten, es ist zudem Teil einer hauswirtschaftlich orientierten Fachlehrer*innenausbildung wie in Baden-Württemberg und Bayern.

Mangelnde Wahrnehmung gilt auch für die Verankerung textilbezogener Inhalte und Kompetenzen in der schulischen Bildung, so ist in Baden-Württemberg der Textilunterricht in den Sachunterricht und das Schulfach Kunst/Werken sowie AES der Sekundarstufe integriert. Auch in Niedersachen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist die Textilgestaltung bzw. Textillehre nur noch zum Teil ein eigenständiges Schulfach.

Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Aufgrund der vielschichtigen Bezüge zu Inhalten der materiellen und visuellen Kultur sowie der Lebensgestaltung existieren vielfältige fächerübergreifende Fragestellungen zur kulturellen Bildung, zu Mode und Gesellschaft, Gender Studies, zu Fragen von Gesundheit und Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund der Globalisierung und Migration sowie zur Bildung für einen toleranten Umgang mit Heterogenität und zur inklusiven Bildung. Eine Vernetzung mit anderen Fächern ist von daher erstrebenswert in Form von fächerübergreifenden Studierendenveranstaltungen, um die materielle Kultur Textil mit ihren Prozessen und Produkten aus verschiedenen Perspektiven zu erarbeiten. Dies können sogenannte Entwicklungsprojekte mit Studierenden sein, aber auch Forschungsprojekte. Die materielle Kultur Textil ist Gegenstand anderer Fachdisziplinen in Forschung und Lehre, vor allem in den lehramtsbezogenen Studienfächern Kunst und Geschichte. Sie bietet zudem einen alltagskulturellen Kontext, um natur- und sozialwissenschaftliche Fragestellen zu erörtern wie beispielsweise in der Geografie, Biologie, Chemie und Physik.

Durch die Mitwirkung im Forschungszentrum ReCCE (Research Center for Climate Change Education and Education for Sustainable Development) wird eine Vernetzung mit anderen Fachdisziplinen der PH Freiburg für die Forschung auf dem Gebiet der empirischen Bildungsforschung in den Feldern Klimabildung (KB) und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) angestrebt. Im Juni 2023 schloss sich das ReCCE mit Partnerhochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einem internationalen Forschungskonsortium zusammen, dem International Consortium for Climate Change Education and Education for Sustainable Development (ICCE). Durch Aktivitäten in diesem Forschungsverbund besteht die Chance, dass die Sichtbarkeit der Mode- und Textilwissenschaften in Bezug auf diese Bildungsansätze erhöht werden kann.

Auch die Mitwirkung in fachübergreifenden Promotionskollegs ist von großer Wichtigkeit, um die Vernetzung in Forschungsfragen und die Bedeutung der materiellen Kultur Textil in Bezug auf fachübergreifende Fragestellungen zu erhöhen. Von Bedeutung ist auch die Kooperation mit den Mode- und Textilabteilungen der Hochschulen für angewandte Wissenschaften, um die Modewissenschaft und Modebildung (Fashion Education) aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven weiterzuentwickeln und didaktisch-methodische Ansätze mit den dort verorteten Fachbereichen kompetenzorientiert zu verknüpfen.

Welche Bedeutung haben außeruniversitäre (Forschungs-)Institute für Ihr Fach?

Die Forschungsschwerpunkte der Lehrenden sowie Forschungsprojekte in Kooperation mit externen Partnern fließen in die studentische Lehre ein. An der PH Freiburg besteht u. a. eine Lehr- und Forschungskooperation mit den Hohenstein Instituten, welche angewandte Textilforschung entlang der textilen Wertschöpfungskette betreiben. Dadurch wird ein Wissenstransfer der aktuellen Textilforschung in die Lehre möglich, aber auch gemeinsame Forschungsprojekte. Forschungspartner können nationale und internationale Textilforschungsinstitute sein sowie kultur- und kunstwissenschaftliche Institutionen wie die Abegg-Stiftung in der Schweiz und das Textile Research Centre (TRC) in Leiden in den Niederlanden oder auch Museen.

Außeruniversitäre Institute verfügen über Expert*innen mit einer besonderen Expertise, über Archive und Materialsammlungen und auch Ausstattung, die an den Mode- und Textilabteilungen von Hochschulen bzw. Universitäten so nicht vorhanden ist. Dementsprechend ist eine Zusammenarbeit mit diesen Institutionen vor sehr hohem Wert für die Forschung, aber auch für die Weiterentwicklung der Lehre wie beispielsweise in partizipativen Kunstprojekten sowie die Außenwirkung der Mode- und Textilwissenschaften. Für eine interdisziplinäre Vernetzung bildet das Netzwerk Mode Textil e. V. als Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen und Kreativen im deutschsprachigen Raum eine sehr gute Ausgangsbasis.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Faches? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Die Mode und Textilwissenschaften beteiligen sich an verschiedenen bildungs- und lehramtsaffinen Studiengängen. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor auf dem Lehramtsstudium für die Primar- und Sekundarstufe, wobei die Ausrichtung des Studienfaches und die Schwerpunktlegungen textiler Bildungsinhalte und Kompetenzen immer wieder aktualisiert werden. Eine Integration der Mode- und Textilwissenschaften in das Studium „Lehramt Sonderpädagogik“ findet ebenfalls an einigen Hochschulstandorten in Deutschland statt. Die Berufspädagogik spielt nur an zwei Standorten in Deutschland eine Rolle. Ein grundständiges Studium im Bachelor Textiltechnik und einen konsekutiven Master of Education für das Lehramt an beruflichen Schulen gibt es ausschließlich an der RWTH Aachen. An der PH Freiburg wird ein lehramtsaffiner Master of Science Berufspädagogik – Textiltechnik und Bekleidung/Wirtschaft angeboten, welcher auf einem ingenieurwissenschaftlichen Bachelorstudiengang Textiltechnik und/oder Bekleidungstechnik aufbaut.

Mit der engen Verzahnung von Theorie, Praxis und Didaktik präsentieren sich die Mode- und Textilwissenschaften im Rahmen des Lehramtsstudiums und der lehramtsaffinen Studiengänge als ein multiperspektivisches Studienfach, welches für ein Promotionsstudium anschlussfähig ist. Es mangelt trotzdem an Nachwuchswissenschaftler*innen gerade für die Hochschulen und Universitäten, welche Lehramtsstudiengänge anbieten, da wenig Aussicht auf eine Förderung von Promotionsvorhaben im Kontext der materiellen Kultur Textil und den Bildungswissenschaften besteht. Die Ausstattung mit Stellen für die Nachwuchsförderung ist gering. Wünschenswert wäre eine Anerkennung der Bedeutung dieser Studiengänge für die (hoch-)schulische Bildung durch eine entsprechende Förderung von Lehre und Forschung der Mode- und Textilwissenschaften, die überwiegend in kleinen Abteilungen und Instituten erfolgt, die zum Teil mit nur einer Professur ausgestattet sind oder über Professuren einer anderen Fachdisziplin vertreten werden.

((c) Anne-Marie Grundmeier).

Anne-Marie Grundmeier lehrt seit dem Jahr 2000 als Professorin mit dem Schwerpunkt Mode- und Textilwissenschaften und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Seit 2011 leitet sie zudem das Institut für Alltagskultur, Bewegung und Gesundheit sowie die Fachrichtung Mode und Textil. Weitere berufliche Stationen von Frau Prof. Grundmeier waren u.a. die Universität Hannover, die Deutsche Meisterschule für Mode sowie das Schulreferat der Stadt München. Ihr jüngstes Forschungsprojekt widmete sich dem Thema: „Sustainable Fashion Curriculum at Textile Universities in Europe – Development, Implementation and Evaluation of a Teaching Module for Educators (Fashion DIET)”. Weitere Informationen