Der Golestan Palast aus dem 19. Jh., Teheran ((c) Christoph U. Werner).

Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Die Iranistik beschäftigt sich mit den Sprachen, Literaturen und Kulturen der iranischen Welt in Geschichte und Gegenwart. Sie ist damit zugleich ein klassisches philologisches Fach und eine trans- und multidisziplinäre Regionalwissenschaft, die geographisch, historisch, methodisch und sprachlich weit über den modernen Nationalstaat „Iran“ hinausgeht. Als philologisches Fach ist sie vergleichbar mit Fächern wie der Gräzistik oder der Keltologie, und hat Bezüge zur indogermanischen Sprachwissenschaft, zur Religionswissenschaft und Archäologie. Als gegenwartsorientierte Regionalwissenschaft mit dem Schwerpunkt auf die persische Sprache knüpft sie an Fächer wie die Islamwissenschaft an, aber auch an vergleichende Literaturwissenschaft, globale mittelalterliche und moderne Geschichte sowie anthropologische und kulturwissenschaftliche Themen. International findet sich das Fach daher auch unter der Bezeichnung Persian Studies.

Die Breite der Iranistik als regionales „Sammelbecken“ wird anschaulich bei den Themen ihres publizistischen Flaggschiffs, dem Journal of Iranian Studies: linguistische Beiträge zur Sprachtypologie und Morphologie moderner iranischer Sprachen stehen neben Artikeln zur klassischen persischen Literatur, zur iranischen Kunst und Archäologie, zur mittelalterlichen Geschichte oder zu politikwissenschaftlichen Analysen der Islamischen Republik. Selbst in Iran gibt es Abteilungen für Iranshenasi (Iranologie) mit ganz unterschiedlichen Inhalten neben den Abteilungen für Persische Literatur, Iranische Sprachen, oder Geschichte Irans. Letztlich ist die Iranistik eine große Wundertüte, in der sich alles Mögliche finden kann.

Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Die Bamberger Iranistik ist 1989 mit einem eindeutig gegenwartsbezogenen Schwerpunkt an einer jungen und innovativen Universität begründet worden. Sie ist Teil eines orientalistischen Instituts mit anderen, ähnlich multidisziplinär angelegten Fächern, wie Arabistik, Turkologie, Islamwissenschaft, Judaistik und Islamische Kunst/Archäologie. Dies führt zu guten Arbeitsbedingungen und Kooperationen, da mehrere kleine Fächer zusammen einen deutlich besseren Stand haben. So verfügen wir über eine hervorragende Bibliothek sowie gemeinsame Studiengänge und geteilte sprachdidaktische Ansätze. Dennoch bleibt in einer solchen Konstruktion die Eigenständigkeit und damit auch Sichtbarkeit der Fächer und ihrer Studieninhalte gewahrt, was bei islamwissenschaftlichen Instituten mit rein sprachlichen Schwerpunkten nicht immer der Fall ist.

In Bamberg leistet die Iranistik auch in den wissenschaftlichen Zentren einen wertvollen Beitrag, sie ist auch eingebunden in Kooperationen mit der Universität Erlangen und den dortigen regionalen nahostwissenschaftlichen Fächern und der islamischen Theologie. Gerade in kleineren Universitätsstandorten sind Fächer ohne Lehramtsausbildung auf Grund ihrer überschaubaren Studierendenzahlen oft unter Rechtfertigungsdruck, das gilt mittlerweile auch für Bayern. In einem eher kleinstädtischen Kontext vermisst man die inspirierende Anwesenheit von größeren ethnischen und sprachlichen Gemeinschaften.

In Deutschland gibt es momentan fünf Standorte mit der eindeutigen Bezeichnung Iranistik und entsprechenden Studiengängen und Promotionsmöglichkeiten: in Bamberg, Berlin, Göttingen, Hamburg und Marburg. Alle diese Standorte haben ihre eigenen Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Bamberg und Marburg im Bereich der modernen Geschichte Irans und der persischen Literatur, Berlin mit einem Zentrum für die Erforschung des Avesta oder Göttingen mit einem Fokus auf die indo-persische Kultur. Daneben gibt es Professuren mit iranistischen Inhalten, aber der Denomination Islamwissenschaft (u.a. in Freiburg, Kiel und Köln) ebenso wie sprachwissenschaftliche oder religionswissenschaftlich arbeitende Iranisten.

Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Obwohl es große iranisch- und afghanischstämmige Bevölkerungsgruppen in Deutschland gibt und ein Interesse an Iran und persischer Kultur in der Gesellschaft vorhanden ist, wissen nur wenige Menschen, dass ein Fach Iranistik existiert. Die meisten können sich sehr wenig darunter vorstellen. Dies gilt für die breite Öffentlichkeit und das deutsche Hochschulsystem gleichermaßen. Mediale Aufmerksamkeit auf Iran ist leider oft nur kurzfristig und krisenorientiert, die für Journalisten interessanten „Iran-Experten“ sind fast immer fachfremd. Die Breite und Tiefe des Faches zu vermitteln ist bisweilen schwierig.

Die instabile und oft schwankende politische Situation hat nicht nur konkrete Auswirkungen auf Forschungsmöglichkeiten vor Ort, in Bibliotheken, Archiven, Instituten oder für Feldforschung, sie beeinflusst auch nachhaltig die öffentliche Wahrnehmung des Fachs, den Studierendenaustausch und die Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs. Deutschland verfügt im Gegensatz zu den USA nicht über eine so zahlenmäßig, wie finanziell starke Diaspora, dass sich das Fach selbst tragen könnte. Eine zunehmende Herausforderung für die Iranistik vor allem international ist die wachsende identitätsbezogene und ethnische Wahrnehmung regionalwissenschaftlicher Forschung: ein familiärer, ethnischer oder sprachlicher iranischer Hintergrund gilt oft als Qualifikationsmerkmal, wenn nicht Voraussetzung für einschlägige Themen.

Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Die Vernetzung mit anderen Fächern stellt für beide Seiten einen Gewinn da. Die Kooperation mit anderen kleineren Fächern ist dabei strategisch wie inhaltlich oft gewinnbringender, da vergleichbare Arbeitsbedingungen und Voraussetzungen gegeben sind: dies kann sowohl ein kleines Fach innerhalb eines etablierten disziplinären Verbunds sein, z.B. die Historischen Hilfs- oder Grundwissenschaften, oder ein vergleichbares regional-philologisches Fach wie die Indologie. Vernetzungen mit großen etablierten Fächern führen gelegentlich dazu, dass man sich als Juniorpartner oder native informant fühlt. Wichtig ist die Vernetzung auf Augenhöhe.

Sehr wichtig für die Iranistik ist die internationale Kooperation, auch für Forschungsförderung und Nachwuchsqualifikation. Dabei spielt die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, die oft in anderen institutionellen oder fachlichen Kontexten arbeiten eine entscheidende Rolle.

'The Hunt of Uzun Hasan', aus Jami's Selselat oz-Zahab, Ardabil 1549, St. Petersburg National Library ((c) Christoph U. Werner).

Welche Bedeutung haben außeruniversitäre (Forschungs-)Institute für Ihr Fach?

Aufgrund der schwierigen politischen Situation, gibt es derzeit keine aktiven europäischen Auslandsinstitute in Iran (oder einem der Nachbarländer) – die Orientinstitute in Istanbul und Beirut versuchen zwar gelegentlich iranistische Themen mit aufzunehmen, sind damit aber nur begrenzt erfolgreich. Iranistische Forschung kann auch an Max-Planck-Instituten stattfinden (z.B. im Bereich Ethnologie oder Rechtswissenschaft) und Institute der Politikberatung wie die Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin sind auch für uns bedeutsam. Insgesamt ist iranistische Forschung in Deutschland jedoch stark universitätsgebunden. Als international ausgerichtetes Fach spielen allerdings Forschungsinstitute wie das CeRMi (Centre de recherche sur le monde iranien) in Frankreich oder das Institut für Iranistik an der Österreichischen Akademie für Wissenschaften eine wichtige Rolle. Auch die Forschungskooperation mit Museen, Archiven oder wissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland, Europa und Iran kann wichtige Impulse geben. Immer im Rahmen der politischen Möglichkeiten ist die Iranistik stets bemüht mit Institutionen in Iran zusammenzuarbeiten.

 

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Faches? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Die Differenzierung des Faches Iranistik wird mit Sicherheit weiter zunehmen. Schon jetzt gibt es kaum mehr Universalisten, die glaubhaft sowohl den vorislamischen philologischen und den modernen historisch-gegenwartsbezogenen Bereich der Iranistik abdecken können. Die disziplinären und methodologischen Anforderungen steigen. Eine klar erkennbare Profilbildung der einzelnen Standorte ohne dabei die Fachbezeichnung Iranistik aufzugeben ist daher sehr wichtig. Für alle außereuropäischen, regional ausgerichteten Fächer ist die politische Entwicklung vor Ort ein entscheidender Faktor, der über Studien- und Forschungsmöglichkeiten entscheidet. Dies gilt besonders auch für Studierende, die mit dem Fach in Kontakt kommen und Auslandsaufenthalte durchführen sollten. Die Zusammensetzung der Studierenden, und damit des wissenschaftlichen Nachwuchses wandelt sich ebenfalls. Traditionell stand die Sprachausbildung in orientalistischen Fächern, auch der Iranistik, im Vordergrund – dies ist bei der wachsenden Zahl muttersprachlicher Studierender nicht mehr haltbar. Umgekehrt wird zunehmend Lehre auf Englisch nachgefragt, für den akademischen wie nicht-akademischen Arbeitsmarkt sind gute Deutschkenntnisse jedoch weiterhin hilfreich, wenn nicht Voraussetzung. Die Herausforderung in Lehre und Forschung besteht darin, klar definierte Fähigkeiten zu präsentieren und weitergeben zu können.

Christoph U. Werner ((c) Otto-Friedrich-Universität Bamberg).

Christoph U. Werner hat seit 2019 den Lehrstuhl "Iranistik: Sprachen, Geschichte, Kultur" am Institut für Orientalistik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg inne. Zuvor lehrte er an der Philipps-Universität Marburg als Professor und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Juniorprofessur. Seine Schwerpunkte liegen in der historischen Forschung zu Iran vom 14. bis zum 20. Jahrhundert mit Schwerpunkten im Bereich der Diplomatik, dem Stiftungswesen und der Sozial- und Kulturgeschichte der Neuzeit. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit klassischer und moderner persischer Literatur sowie deutsch-iranischer Gegenwartsliteratur. Er ist Mitherausgeber der Reihe Iran Studies bei Brill (Leiden) und leitet das Datenbankprojekt Asnad.org zu persischen Urkunden. Er war Präsident der Societas Iranologica Europaea von 2019-2023 und ist Sprecher der Sektion Iranistik der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Weitere Informationen