Studierende der Museologie (Quelle: privat)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Das Fach Museologie und Museumswissenschaft existiert seit 2010 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) als autonome Universitätsdisziplin mit umfassendem Studienangebot im Rahmen eines eigenständigen Instituts. Im Gegensatz zu Studiengängen an Fachhochschulen werden Museologie und Museumswissenschaft an der JMU immer in einer 2-Fach-Kombination studiert, d. h. das museologische Studium wird stets durch das gleichzeitige Studium einer museumsrelevanten Disziplin (Archäologie, Kunstgeschichte, Geschichte, Europäische Ethnologie/Volkskunde etc.) erweitert. Damit erwerben die Studierenden zusätzlich Kompetenzen in einem traditionellen Museumsfach (= Quellenwissenschaft). Im Vergleich zu museologischen Zertifikatskursen oder MA-Studienangeboten an deutschen Universitäten, die nach einem anders gearteten Bachelor-Studium erfolgen, bietet Würzburg eine mehrstufige Ausbildung, die vom grundständigen Bachelor- über drei konsekutive Master-Studiengänge bis zur museumswissenschaftlichen Promotion alle universitären Qualifikationsstufen umfasst. Dabei verstehen wir Museologie und Museumswissenschaft als eigenständige Disziplin im Sinne einer "hoch integralen" Kulturwissenschaft und "conditio sine qua non" für die Museumsarbeit (Friedrich Waidacher), die sich mit der Musealisierung und dem Museum als eigener Form des Bewahrens, Darstellens, Vermittelns und der Erkenntnis auseinandersetzt. Sie ist prinzipiell interdisziplinär ausgerichtet, verfügt dabei aber gleichzeitig über spezifische Untersuchungsfelder, Methoden, Quellen und theoretische Diskurse, vor allem in den Bereichen Museums- und Ausstellungsanalyse, Museumsethik, Cultural Heritage, der Vermittlungsarbeit und der Erforschung materieller Kultur. Mit dem Phänomen der sog. Musealisierung und der Funktion des Museums als Ort der Repräsentation, Ritualisierung und Begegnung, als öffentlicher, medialer und sozialer Raum, wird diese Institution schließlich selbst zum Forschungsobjekt. Dieses gilt es kritisch zu hinterfragen und auf seine Zukunftsfähigkeit zu überprüfen. Den gesteigerten Anforderungen an eine moderne Museumsarbeit entsprechend werden in Würzburg neben den klassischen Feldern der Museumsarbeit (Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln, Ausstellen) auch übergeordnete Perspektiven sowie zukunftsweisende Aspekte gelehrt. Bei alldem werden theoretisch-analytische Kompetenzen ebenso vermittelt wie museumspraktische Fertigkeiten, um optimal für die Museumsforschung wie die verschiedenen Felder der Museumsarbeit zu qualifizieren. Charakteristisch ist hierbei die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Museen und Kultureinrichtungen, um eine praxisnahe Wissensvermittlung und fachliche Vernetzung sicherzustellen.

2. Bei der Museologie handelt es sich um ein relativ junges Fach. Bitte skizzieren Sie den Hintergrund der Etablierung des Fachs an Ihrer Universität oder deutschlandweit.

Deutschland zählt mit seinen rund 6.700 Häusern zu den führenden Museumsländern und gilt wegen der 1565 in München publizierten, ersten Museumsschrift als "Birthplace of Museology" (J. D. Aqulina). Dennoch hinkte man hierzulande im Bereich der vom International Council of Museums (ICOM) seit den 1950er Jahren geforderten, akademischen Museumsausbildung deutlich hinterher. Für die museologische Fachentwicklung war die Diskussion um die gesellschaftliche Verantwortung von Museen im Zuge der 68er-Bewegung zentral. Sie führte zu einer inhaltlichen Erneuerung der Museen sowie zu einer Professionalisierung von Museumsarbeit und -ausbildung. In diesem Kontext entstanden in Großbritannien, Kanada und den USA bis heute über 50 Studiengänge. Dutzende weitere Studienmöglichkeiten wurden zudem weltweit etabliert. Damit hat sich das Fach Museologie (Museology, Museum Studies, Museumskunde, Museumswissenschaft/en) in den letzten Jahrzehnten von der Rolle einer Hilfswissenschaft emanzipiert: "Museology is well established in many universities today" (J.-P. Lorente). Das Fach ist als eigenständige akademische Hochschul- bzw. Universitätsdisziplin international längst "erwachsen geworden" (S. MacDonald). In Deutschland ist die Entwicklung zwiegespalten: Während in der ehem. DDR eine Ausbildungsstätte für Museolgie in Leipzig eingerichtet wurde, blieb es in der Bundesrepublik bei Versuchen. Daher bildet das Museumsvolontariat, ein zweijähriges, museumsinternes und praxisorientiertes Learning-on-the-job nach dem Studium, bis heute zumeist den Einstieg in eine Museumslaufbahn. Erst nach der Wiedervereinigung und im Zuge der Bologna-Reform kam es zu einer verhaltenen Akademisierung der Museumsausbildung: zunächst an den Fachhochschulen in Leipzig und Berlin, ab der Jahrtausendwende vermehrt an Kunsthochschulen und Universitäten. Dies betrifft die Einführung eigenständiger museologischer oder kuratorischer BA- und MA-Studiengänge, aber auch die Einrichtung museologischer Ergänzungsbereiche, Schwerpunkte oder Profillinien ohne eigenständigen Abschluss im Kontext traditioneller Museumsfächer. Gegenwärtig ist "Museologie/Museumskunde" laut "Arbeitsstelle Kleine Fächer" nur an vier Universitätsstandorten als eigenständiges Fach bzw. im Rahmen eigener Professuren/Lehrstühle vertreten: in Würzburg (2010/11), Hamburg (2016), Tübingen (2016) und Erlangen (2019). Die Professur für Museologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg nahm im WiSe 2010 ihren Lehrbetrieb auf und wurde im Frühjahr 2011 als eigenständiges Institut eingerichtet. Der Impuls zur Gründung des Fachs geht auf die sog. Ausbauplanung zurück, in deren Rahmen die bayerischen Universitäten neue Studienplätze aufgrund steigender Studierendenzahlen einrichten konnten (G8, Abschaffung der Wehrpflicht). (Vgl. Fackler, Guido: "Die Museumswissenschaft ist erwachsen geworden": Zur Fachgeschichte der Museologie, zur Museumsausbildung und zum Würzburger Studienangebot. In: Museumskunde 79 (2014), Nr. 2, S. 40-46)

3. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Die Museologie und Museumswissenschaft der JMU profitiert vom breiten Spektrum an museumsrelevanten Fächern, Sammlungen und Museen an einer traditionsreichen Voll-Universität. Dies zeigt sich nicht nur in gemeinsamen Lehrveranstaltungen, Lehr- und Forschungsprojekten. Vielmehr gewährleistet das 2-Fach-Studium, das neben Museologie und Museumswissenschaft immer ein traditionelles Museumsfach umfasst, eine breitgefächerte akademische Ausbildung. Hinzu kommt die gemeinsam mit anderen Fächern realisierte Etablierung neuer, innovativer Studiengänge. Die Internationalisierungsstrategie der JMU erleichterte wiederum den Aufbau mehrerer Erasmus-Kooperationen mit Studierenden- und Dozierendenaustausch (z. B. Izmir/TUR, Korfu/GR, Lissabon/PRT, Newcastle/GB, Opava/CZE), während die Forschungsorientierung der JMU in der Museologie und Museumswissenschaft erfolgreiche Bemühungen um die Einwerbung diverser Drittmittelprojekte evozierte (BMBF "Insight", BMBF "THEFBO", DAAD "Kulturgut bewahren, Bewusstsein bilden, Breitenwirkung entfalten", DAAD "Heritage Dialogues", DZK "Provenienzforschung"), die unmittelbar auf die museologische Lehre zurückwirken. Nicht immer einfach war es hingegen, einen fachlichen Anwendungsbezug zur Stärkung der Employability der Studierenden in die museologischen Curricula zu integrieren. Zudem galt es, als neues Universitätsfach in der traditionell praktisch ausgerichteten deutschen Museumslandschaft Anerkennung zu finden. Hierfür wurden neben gängigen Formaten (Exkursionen, Praktika, Workshops, Gastvorträge, Vorlesungsreihenen etc.) mehrere neue, anwendungsorientierte Service Learning-Studienformate entwickelt (Ausstellungs-, Inklusions- und museumspädagogische Projekte, Ideenwerkstätten) sowie vielfältige Kooperationen mit regionalen wie überregionalen Museen eingegangen.

4. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Einerseits haben wir den Eindruck, dass sich die Museologie und Museumswissenschaft der JMU durchaus ihren Platz in der deutschen Hochschullandschaft gefunden hat. Positiv im Hinblick auf das 'Sichtbar-Werden' dieser jungen Universitätsdisziplin wirkten sich vor allem die gemeinsam mit der Ägyptologie der JMU seit 2015 eingeworbenen DAAD-Projekte mit der Helwan University in Kairo/Ägypten aus, aber auch die anwendungsorientierten Curricula sowie die Durchführung eigener Tagungen, Forschungsprojekte und Ausstellungen. Andererseits sind wir bezüglich unserer personellen und finanziellen Grundausstattung im Vergleich zu den anderen Hochschulstandorten deutlich im Rückstand und hoffen nach wie vor auf mehr Unterstützung.

5. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Als interdisziplinäres Fach hat sich die Vernetzung von Museologie und Museumswissenschaft mit anderen Disziplinen insgesamt positiv ausgewirkt. Dies betrifft die Durchführung gemeinsamer Lehrveranstaltungen und Lehrprojekte, die Beantragung von Drittmittelprojekten, die Betreuung von Promotionen sowie die gemeinsam getragene Einführung von zwei interdisziplinären Studiengängen. Die fachspezifischen Kenntnisse in den Feldern Ausstellung, Kulturmanagement und Wissenschaftskommunikation führen darüber hinaus immer wieder zu Kooperationen mit Fächern und Universitätseinrichtungen, die man weniger mit dem klassischen Museumssektor in Verbindung bringen würde (z. B. Biologie, Botanischer Garten, Physik, Universitätsbibliothek). Auch wenn solche Vernetzungen nicht immer einfach sind, da die neuere Entwicklungen des Museums- und Ausstellungswesens oft auf konservative Vorstellungen von Museum bei den Kooperationspartnern treffen und sich Museologie und Museumswissenschaft nicht nur für praktische Museumsbelange zuständig fühlen, haben sie unsere junge Universitätsdisziplin innerhalb der Gesamtuniversität und vor allem in der Öffentlichkeit durch viele Presse- und Medienberichte doch besser sichtbar gemacht und zugleich dessen Mehrwert verdeutlicht, auch wenn diesbezüglich gerade inneruniversitär noch Nachholbedarf hinsichtlich der Anerkennung als eigenständiger Disziplin besteht. Der Arbeitsaufwand für die vielfältigen Vernetzungs- und Kooperationsaktivitäten ist jedoch sehr hoch und setzt ein großes Engagement aller Mitarbeiter*innen voraus.

6. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

In der seit langem praktisch ausgerichteten deutschen Museumslandschaft, die mit dem Museumsvolontariat ein internes praxisorientiertes Museumstraining anbietet, das jedoch zu keinem zertifizierten Abschluss führt und weniger theoretisch ausgerichtet ist, ist es schwierig, Anerkennung für eine im Ausland längst etablierte akademische Ausbildung des Museumsnachwuchses zu finden. Dies umso mehr, als auch das Bewusstsein für spezifisch museologische Fragestellungen angesichts der geringen Akademisierung der Museumsausbildung im Vergleich zur Gesamtzahl der Museen hierzulande nicht besonders ausgeprägt ist. Denn in Deutschland dominieren traditionelle Museumsfächer - v.a. Altertums- und Geschichtswissenschaften, Kunstgeschichte, ethnologische Disziplinen - die Museumsarbeit und Museumsforschung. Letztere betreiben sie vorwiegend aus ihrer fachspezifischen Sicht. Weil sie sich dabei vorwiegend mit den in Museen bewahrten Quellen bzw. Objekten auseinandersetzen, spricht Friedrich Waidacher von "Quellenwissenschaften". Dieser quellenwissenschaftlich-objektzentrierten Perspektive steht eine ganzheitlich-museologische Forschungsperspektive gegenüber: Diesbezüglich definiert die Museologie ihren Erkenntnisgegenstand vom "Museumsobjekt über die Institution Museum und ihre Funktionen bis zur musealen Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit" (F. Waidacher), ihr Blick ist per se inter- wie transdisziplinär. Aktuell evozieren zudem Debatten um partizipative, sozial inklusive, antirassistische, antisexistische und postkoloniale Ansätze ein neues Verständnis von Museumsarbeit, das von vielen Quellenwissenschaften kaum wahrgenommen wird. Insofern stehen die Quellenwissenschaften in einer Wechselbeziehung zur Museologie und Museumswissenschaft, verfolgen diesbezüglich im Allgemeinen aber andere Erkenntnisziele und ergänzen sich idealerweise in der Museumspraxis mit der Museologie. Allerdings wird diese ganzheitlich-museologische Forschungsperspektive in Deutschland nur wenig rezipiert und muss deshalb stärker in die Fachdiskurse eingespeist und dringend durch Vernetzungsmaßnahmen der museologischen Hochschulstandorte in Deutschland gefördert und ausgebaut werden (z. B. Aufbau entsprechender Forschungsinfrastrukturen für gemeinsame Projekte, eigenes publizistisches Fachorgan, museologische/r FID bzw. Fachbibliografie).

Guido Fackler (Quelle: privat)

Guido Fackler leitet seit 2011 die Professur für Museologie an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg und besetzt damit die erste Professur im Fach Museologie an einer deutschen Universität. Im Rahmen seiner Forschungen hat er sich zuvor u.a. intensiv mit Kultur zur Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Weitere Informationen