Römischer "Jagdbecher" aus Köln, 2. Jahrhundert n.Chr. (Römisch-Germanisches Museum Köln) (Quelle: Philipp Groß, Archäologisches Institut der Universität zu Köln)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Die Archäologie der Römischen Provinzen (AdRP) stellt eine Disziplin der archäologischen Wissenschaften dar, die aus der Interaktion zwischen der Klassischen Archäologie, der Ur- und Frühgeschichte sowie der Alten Geschichte entstanden ist. Der chronologische Rahmen des Fachs, welches eng mit dem Aufstieg und späteren Fall des römischen Reiches verbunden ist, reicht somit von der ersten kulturellen Präsenz Roms über die militärische Eroberung und die Etablierung einer zivilen Verwaltung in der jeweiligen Provinz. Die AdRP erforscht vor allem die Lebenswelt der einheimischen Bevölkerungsgruppen, insbesondere deren Interaktion im Kontakt mit den mediterranen Lebenswelten; darüber hinaus sind auch militärhistorische Aspekte (römische Armee) ein wichtiger Bestandteil der Forschung. Ein weitgehend offener Wirtschaftsraum von Schottland bis nach Nordafrika und von Portugal bis in den Nahen Osten förderte in römischer Zeit reichsweite Handelsbeziehungen. Im Sog militärischer Operationen entstand eine beeindruckende Mobilität von Menschen und Gegenständen. Dies zeigt sich nicht nur bei Objekten des alltäglichen Lebens, sondern auch in Siedlungslandschaften, in der Architektur sowie bei Kult, Religion und Brauchtum.

Forschungsgrundlage der AdRP sind insbesondere die materiellen Hinterlassenschaften der römischen Herrschaft in den Nordwest-Provinzen (inkl. Donauraum); dies umfasst auch die antiken schriftlichen Quellen zu dieser Herrschaft. Die wissenschaftliche Arbeit ist vor allem empirisch faktisch geprägt und basiert neben einer geisteswissenschaftlichen Herangehensweise auch auf integrativen Methoden bei der Analyse dieser materiellen Hinterlassenschaften: Landschafts- und siedlungsarchäologische Fragestellungen können mit unterschiedlichen Prospektionsmethoden wie Luftbild-Analyse, Airborne Laserscanning und Geophysik beantwortet werden. Weiterführende Erkenntnisse zum Fundmaterial versprechen nicht nur Material- (Archäometrie) und Radiokarbonanalysen sowie dendrochronologische Untersuchungen als Anhaltspunkt für die Datierung, sondern auch die Einbindung naturwissenschaftlicher Disziplinen wie z.B. Archäobotanik, Archäozoologie, Anthropologie und Dendrochronologie. Bei der Auswertung der interdisziplinär gewonnenen Ergebnisse spielen theoretische Überlegungen und Konstrukte eine Rolle. Dabei können Theorien aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen einfließen (z.B. Ethnologie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften/Ökonomie etc.).

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Die AdRP ist an der Universität zu Köln ein integrierter Bestandteil des Archäologischen Instituts und wird als volles Fach mit eigenem Studiengang im Bereich der Archäologie (BA-, MA- und PhD- Ebene) betrieben. An eigenem Personal stehen dafür neben der eigenen Stelle (W2-Professur) eine halbe Assistenz, eine außerplanmäßige Professur sowie Anteile an dem fest angestellten Personal des Archäologischen Instituts (Grabungstechnik, Fotografie, wiss. Zeichnen) zur Verfügung. Darüber hinaus konnten für verschiedene zeitlich befristete Forschungsprojekte weitere wissenschaftliche Mitarbeiter/Innen über Drittmittel angestellt werden. Der studentische Zuspruch zum Fach ist sehr gut und die Auslastung in den Veranstaltungen mehr als ausreichend. Das dafür notwendige Lehrpersonal kann einzig über zusätzliche Lehraufträge, häufig unentgeltlich, zur Verfügung gestellt werden und krankheitsbedingte Ausfälle sind bei der sehr dünnen Personaldecke nur schwer zu kompensieren. Insbesondere der Mittelbau wird deshalb über Gebühr beansprucht und sollte dringendst entlastet werden.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Archäologie und besonders die Archäologie für den regionalen Raum genießt in der Öffentlichkeit immer einen guten Ruf. Dies gilt auch für die AdRP an der Universität zu Köln. Das römische Erbe wird in Köln sehr beachtet und Forschungen dazu werden von der Öffentlichkeit immer wohlwollend wahrgenommen. Ein an Pfingsten 2019 durchgeführter Kongress zur Römischen Militärausrüstung (ROMEC XX, Cologne-2019) an der Universität zu Köln fand große öffentliche Beachtung und wurde in der Presse ausführlich gewürdigt.

Die Beachtung im universitären Bereich ist hingegen sehr viel geringer. Unser Fach kann sich einzig im Rahmen des gesamten Archäologischen Instituts bemerkbar machen und wir müssen häufig im Rahmen der universitären Verwaltung aber auch der universitären Forschungsförderung um ausreichende Berücksichtigung der eigenen Anliegen kämpfen. Die AdRP ist in Deutschland an insgesamt sechs Standorten (Osnabrück, Köln, Frankfurt-Main, Freiburg, München, Bamberg) als volles Fach vertreten. Im Vergleich zu anderen archäologischen Fächern (wie beispielsweise Klassische Archäologie oder prähistorische Archäologie) stellt das Fach somit eine klare Minderheit in der Universitätslandschaft dar. Die Anliegen der AdRP (Forschungen zur römischen Vergangenheit im regionalen Bereich) sind bundesweit im fachpolitischen Bereich nicht besonders gut vertreten. Wir stehen häufig in einem gewissen Abwehrkampf gegenüber Vereinnahmungen durch andere archäologische Fachbereiche, die gerne die römische Epoche mit abdecken möchten, ohne dafür ausreichend Expertise aufbringen zu können. Besonders schwierig gestaltet sich dies bei Forschungsgebieten und -projekten, die "epochenübergreifend" angelegt sind (spätkeltisch/frührömisch oder aber spätantik/frühmittelalterlich). Hinzu kommt, dass das Fach in übergreifenden Gremien für Mittelvergabe nicht ausreichend vertreten wird. Ein weiterer Aspekt für die Sichtbarkeit und öffentliche Wahrnehmung der AdRP, ist die geographische Verortung des Faches. Eine Lehre bzw. Forschung im Rahmen des Faches konzentriert sich, bedingt durch die Forschungsinhalte, im Wesentlichen auf die Gebiete in denen eine römische Präsenz nachzuweisen ist (Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen).

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Auch wenn sich die AdRP häufig um die ihm zustehende Beachtung bemühen muss (vgl. Frage 3), ist es selbstverständlich klar, dass unser Fach ohne Kooperationen im universitären Bereich nicht vernünftig wird existieren können. An erster Stelle ist eine Zusammenarbeit mit den benachbarten archäologischen Disziplinen (Klassische Archäologie, prähistorische Archäologie, Archäologie des Mittelalters) unabdingbar; zu allen genannten Archäologien bestehen umfassende Überschneidungen in Lehre und Forschung, die einzig gemeinsam bearbeitet werden können. Daneben weist die AdRP auch zahlreiche Berührungspunkte mit den Altertumswissenschaften (z.B. alte Sprachen, alte Geschichte, Numismatik, Epigraphik) auf und im Bereich der Naturwissenschaften finden sich zahlreiche Teilbereiche (z.B. Archäozoologie, Archäobotanik, Archäometrie, Archäoinformatik, Geoarchäologie), ohne deren Kooperation der AdRP wichtige Aspekte in Forschung und Lehre fehlen würden.

Kooperationen sollten in allen Bereichen der studentischen Ausbildung durchgeführt werden; begonnen mit Vorlesungen über Übungen bis hin zu gemeinsamen Seminaren und Exkursionen. In der Forschung ist es sowieso unumgänglich, dass heutige komplexe Fragen zur Antike nur in einem gemeinsamen kooperativen und vor allem interdisziplinären Ansatz angegangen werden können. Fachübergreifende Forschungsprojekte stellen daher einen zentralen Aspekt zukünftiger Forschung dar.

5. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Die AdRP ist ein Fach mit Zukunft, denn die Beschäftigung mit der Vergangenheit, insbesondere der regionalen Vergangenheit ist auch heute noch eine Angelegenheit, die Viele interessiert und fasziniert. Ich sehe derzeit keinen Rückgang der Interessenten für ein Studium und auch im Bereich der Forschung gibt es noch einige interessante Themen, die anzugehen sein werden.

Eine Herausforderung wird es sicher sein, die Eigenständigkeit des Faches zu behalten; eine Nivellierung des Faches mit dem Ziel, einzig noch eine allgemeine Archäologie zu lehren, wäre eine fatale Entwicklung, die die Vielfalt der Vergangenheit zu einem Einheitsbrei werden ließe.

Für eine positive Entwicklung des Faches sowohl im universitären Bereich als auch in der Forschung müssen die dafür nötigen Strukturen geschaffen und finanziert werden. Darüber hinaus ist es notwendig, dass Vertreter/Innen der kleinen Fächer insgesamt ein größeres Mitspracherecht an den Universitäten erhalten. Die dadurch gesteigerte Vielfalt an Forschung und Ausbildung dürfte zur Steigerung der Attraktivität jeder Universität führen, die auch auf die kleinen Fächer (darunter die AdRP) Rücksicht nimmt.

Eckhard Deschler-Erb habilitierte 2008 an der Universität Zürich. Seit dem Jahr 2013 ist er korrespondierendes Mitglied beim Deutschen Archäologischen Institut. An der Universität zu Köln hat er seit 2016 eine Universitätsprofessur für Archäologie der Römischen Provinzen am Archäologischen Institut inne.

Clarissa Agricola, M.A. ist seit Oktober 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Archäologischen Institut der Universität zu Köln. Ihre interdisziplinär angelegte Promotion verfasste Sie von 2013-2018 im Rahmen des Graduiertenkollegs 1576 „Wert & Äquivalent“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main über spätrömische Terra Nigra des 4.-5. Jh. n. Chr. Seit Januar 2017 ist sie außerdem als Freie Mitarbeiterin des Archäologischen Museums Frankfurt tätig.