Beprobung von Eisenerzen unter Tage ((c) Thomas Kirnbauer)

Bitte stellen Sie uns Ihr Fach, die Lagerstättenkunde, in wenigen Sätzen vor.

Als Lagerstätten werden in den Geo- und Bergbauwissenschaften Anreicherungen von mineralischen Rohstoffen (Gesteine, Minerale), Salzgesteinen, Kohlen und Kohlenwasserstoffen (Erdöl, Erdgas) bezeichnet, die eine wirtschaftliche Verwertung ("Ausbeutung", Abbau) gestatten. Ist z.B. die Qualität oder die Quantität der Anreicherung nicht ausreichend, spricht man von einem Vorkommen. Historisch entstand die Lagerstättenkunde - gemeinsam mit der Geologie, der Mineralogie und der Bergbaukunde - Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Nord-, Mittel- und Osteuropa (England, Skandinavien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Russland) im Zuge der Industrialisierung und dem dafür benötigten Bedarf an mineralischen Rohstoffen. Die akademische Lagerstättenkunde, die zunächst an Bergakademien gelehrt wurde, hatte von Anfang an einen starken Bezug zur Praxis und war schon immer vom ökonomischen Interesse geleitet.

In der Erdkruste treten die meisten für den Bergbau interessanten chemischen Elemente in nur äußerst geringen Konzentrationen auf. Silber beispielsweise macht im Durchschnitt nur 70 Milliardstel der chemischen Zusammensetzung der Erdkruste von Kontinenten aus. Anders ausgedrückt: Sechs Gesteinswürfel mit Kantenlängen von jeweils 1 m wiegen 16,8 Tonnen, aber enthalten nur 1 Gramm Silber. Doch in der Erdgeschichte kam es - und kommt es auch heute noch - durch eine Reihe von chemischen, physikalischen und biologischen Vorgängen zur Anreicherung dieser eigentlich seltenen Elemente zu so hohen Konzentrationen, so dass Vorkommen und Lagerstätten dabei entstehen. Zu den Aufgaben der Lagerstättenkunde gehört deshalb die Erforschung der Entstehung von Lagerstätten und die Aufdeckung der bei den Konzentrationsprozessen beteiligten geochemischen, mineralogischen und geologischen Gesetzmäßigkeiten.

Die Erkenntnisse der Lagerstättenkunde werden erfolgreich bei der Suche nach neuen Lagerstätten (Prospektion, Exploration) genutzt, bei der auch Kenntnisse der Regionalen Geologie, einer in Deutschland an den Hochschulen inzwischen nur noch stiefmütterlich behandelten Teildisziplin der Geowissenschaften, benötigt werden. Auch die Entdeckung der größten Lagerstätte von Seltenen Erden nahe Kiruna in Schweden, die vor wenigen Wochen in die Schlagzeilen gelangte, geht auf intensive und mehrjährige Explorationsarbeiten zurück.

Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Als Professor an einer staatlich anerkannten privaten Fachhochschule gibt es natürlich spezielle Rahmenbedingungen. Fangen wir mit der langen Tradition der Ausbildung hier in Bochum, mitten im Ruhrgebiet, an, wo bis 2018 Steinkohle gefördert wurde. Bereits 1816 wurde in Bochum eine Bergschule gegründet, um junge Bergmänner zu "tüchtigen practischen Bergbeamten" auszubilden, die anschließend unter Tage Führungspositionen ausüben sollten. Die Ausbildung umfasste schon in früher Zeit auch die Lagerstättenkunde, denn es war von praktischer und ökonomischer Bedeutung, den Verlauf und die Fortsetzung von Kohleflözen zu kennen, die durch sog. Störungen abgeschnitten wurden und vielleicht erst viele hundert Meter weiter wieder angetroffen werden konnten. Aus alten Bergschüler-Heften dieser Zeit, die ich auf einem Flohmarkt entdeckt habe, lässt sich die hohe Qualität der lagerstättenkundlichen Ausbildung erkennen.

Bis zum Beginn der 1990er Jahre war die Ausbildung bei uns im Wesentlichen auf den Steinkohlenbergbau fokussiert und damit natürlich auch die Lagerstättenkunde, wenngleich die Lehre auch die anderen Lagerstätten umfasste, denn Absolventen gingen auch in den Braunkohlen-, Erz- oder Salzbergbau. Das Ende des Steinkohlenbergbaus vor Augen, wurden seit dieser Zeit neue Studiengänge etabliert: "Geotechnik und Angewandte Geologie", "Steine und Erden", "Rohstoffingenieurwesen", "Geoingenieurwesen und Nachbergbau", in denen die Lagerstättenkunde aber nur im heutigen Studiengang "Rohstoffingenieurwesen" fester Ausbildungsbestandteil ist. Je nach gewähltem Studienschwerpunkt liegt der Fokus entweder auf den Lagerstätten der Steine und Erden und Industriemineralen oder aber auf Erzlagerstätten, Salzen und Kohlenwasserstoffen. Als Steine und Erden werden Fest- und Lockergesteine bezeichnet, die z.B. in den Straßenbau gehen oder zur Herstellung von Beton, Kalk- und Zementprodukten genutzt werden. Gipsrohstoffe gehen in die Gipsindustrie, Tonrohstoffe in die Keramikindustrie. Dann gibt es die Gruppe der Naturwerksteine, aus denen z.B. Fassadenplatten oder Küchenplatten gefertigt werden, und über ein Dutzend hochinteressanter Rohstoffe, die als Industrieminerale bezeichnet werden und teilweise sehr hohe Verkaufspreise bringen.

Die große Mehrheit der Studenten entscheidet sich für den Bereich Steine und Erden, in dem attraktive und gut dotierte Jobs angeboten werden, und der bundesweit so nur an der TH Georg Agricola gelehrt wird. In das Labor "Steine und Erden - Mineralische Baustoffe" sind in den letzten Jahrzehnten erhebliche Gelder gesteckt worden, so dass die Ausbildung an modernsten Geräten und praxisnah stattfinden kann. Ein generelles Problem für alle Fachhochschulen ist natürlich die hohe Belastung mit einem Lehrdeputat von 18 Semesterwochenstunden, so dass die Zeit, die für Forschung bleibt, recht gering ist.

Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Bis in die 1980er bis 1990er Jahre existierten an den deutschen Hochschulen eigene Lehrstühle für Geologie, Paläontologie, Mineralogie etc. Im Zuge der Sparmaßnahmen an den Hochschulen seit dieser Zeit, die kleine Fächer als erstes bedrohen, haben sich diese an den meisten Hochschulstandorten zu Instituten für Geowissenschaften o.ä. zusammengeschlossen. Verglichen mit den großen naturwissenschaftlichen Fächern Chemie, Physik und Biologie sind die Geowissenschaften aber immer noch klein, und innerhalb der Geowissenschaften ist die Lagerstättenkunde selbst wieder ein "Orchideenfach". Weshalb? Es war jahrzehntelanges Credo der verschiedenen Bundesregierungen, dass die Industrie selbst verantwortlich für die Sicherung der Rohstoffe sei. "Das regelt der Markt", hieß es. Erst im Zuge der Verknappung bestimmter mineralischer Rohstoffe (Stichwort "Seltene Erden") und der Energierohstoffe durch den Verzicht auf russisches Erdgas wird man sich in der Politik und der deutschen Öffentlichkeit darüber klar, dass in der (flächenmäßig kleinen) Bundesrepublik Deutschland viele Rohstoffe entweder überhaupt nicht auftreten und andere nur in kleinen Lagerstätten, die den Bedarf der deutschen Industrie bei weitem nicht decken können. Optimisten sehen dies als Chance für die Lagerstättenkunde, und vielleicht führt die Verknappungssituation doch noch zu ein oder zwei neuen Professuren. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Deutschland für viele von der Industrie benötigten Rohstoffe keine oder nicht ausreichend große Lagerstätten aufweist und die Rohstoffe deshalb importiert werden müssen, und auch an der Tatsache, dass sich deutsche Firmen in den letzten Jahrzehnten weitgehend aus dem Auslandsbergbau, also der Gewinnung von Rohstoffen im Ausland, zurückgezogen haben.

Leider hat die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen, die bereits vor über hunderttausend Jahren im Altpaläolithikum eingesetzt hat, in den letzten Jahren einen zunehmend schlechteren Ruf erhalten. Das wirkt sich natürlich auf die Attraktivität der Lagerstättenkunde für angehende Studierende aus. Gerade hier in Deutschland wird der Bergbau, und dazu zähle ich auch die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen in Steinbrüchen und Kiesgruben, mit Umweltzerstörung gleichgesetzt, wobei nicht erkannt wird, dass unsere Bergwerke und Gewinnungsstellen sowohl in Bezug auf den Arbeitsschutz als auch auf den Umweltschutz eine sehr viel höhere Qualität aufweisen als entsprechende Abbaue in Schwellen- oder gar Entwicklungsländern. Kurz: Sie sind menschenfreundlicher und umweltschonender, ja, wir sind hier weltweit führend - und ich kann Ihnen sagen, dass ich viele Gewinnungsstellen im Ausland gesehen habe. Abgesehen davon müssen im Inland geförderte Rohstoffe nicht so weit transportiert werden; und viele der Massenrohstoffe, die bei uns abgebaut und zu Gesteinskörnungen wie Splitt oder Edelsplitt verarbeitet werden, können aufgrund ihres geringen Preises gar nicht so weit transportiert werden. Splitt ist beispielsweise schon für ca. 10 Euro pro Tonne erhältlich; nach 30 bis 40 km Transportweite ist der Transport schon teurer als der Rohstoff. Solche Rohstoffe müssen schon wegen der Transportkosten hier in Deutschland abgebaut werden.

Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Die Vernetzung mit anderen Fächern ist natürlich immer wichtig, und im Falle der Lagerstättenkunde sind dies einerseits andere geowissenschaftliche Fächer wie die Geochemie (einschließlich der Isotopengeochemie) und die Tektonik bzw. Strukturgeologie, aber auch angewandte Disziplinen wie beispielsweise die Geophysik. So war einer meiner bekanntesten Vorgänger hier in Bochum Dr. Ludger Mintrop, der einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der angewandten Geophysik nahm und nach dem die Mintrop-Wellen benannt sind. Er hat sich dann übrigens selbständig gemacht. Als oft anwendungsorientierte Naturwissenschaft hat die Lagerstättenkunde schon immer Kooperationspartner aus der rohstoffsuchenden und -gewinnenden Industrie gehabt, sei es der Über- oder der Untertage-Bergbau. Klassische Kooperationsformen sind im Hinblick auf die Lagerstättenkunde Abschlussarbeiten, die gemeinsam mit der Industrie aufgesetzt werden - bei uns normalerweise Bachelor- und Master-Arbeiten, seltener auch Promotionsvorhaben (Fachhochschulen haben kein Promotionsrecht) - und meist auch in einer ersten Stelle münden. Während der Abschlussarbeit lernen sich künftiger Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennen und sehen, ob sie zueinander passen. Entsprechend dem Branchenprofil der rohstoffgewinnenden und verarbeitenden Industrie in Deutschland sind das meist mittelständische Unternehmen, obwohl natürlich auch größere Firmen (z.B. Steinsalz- und Kalisalz-Gewinnung) am Markt sind. - Am Rande sei noch ein kleines Spezialgebiet erwähnt, bei der lagerstättenkundliche Expertise von Bedeutung ist: Ich meine die Zusammenarbeit mit der Archäologie, wenn es um die Herkunft von Metall- oder auch Stein-Artefakten geht. Das läuft unter dem Stichwort Provenienzanalyse und das sind ganz spannende Projekte, weil sie über den Horizont der Geowissenschaften hinausgehen.

Welche Bedeutung haben außeruniversitäre (Forschungs-)Institute für Ihr Fach?

Hier ist vor allem die Helmholtz-Gemeinschaft zu nennen, da sie mit einem normalen Hochschulinstituten nicht zur Verfügung stehenden finanziellen Aufwand beispielsweise aufwendige Forschungsexpeditionen ausrüsten oder teure Meeresforschung betreiben kann. Ich nenne stellvertretend das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, das Geomar in Kiel und das KIT als "Forschungsuniversität" in Karlsruhe, die lagerstättenkundlich forschen.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Faches? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Solange die Menschheit primäre Rohstoffe benötigt, die nicht oder in nicht ausreichender Menge durch Recycling gewonnen werden können, wird es Bedarf an lagerstättenkundlichem Wissen geben. Der größte Bedarf an Lagerstättenkundlern herrscht dort, wo die großen Bergbaufirmen sitzen oder operieren, also im Ausland. So spielt es - im internationalen Maßstab - keine große Rolle, wie viele Lagerstättenkundler Deutschland ausbildet. Die Zeiten, in denen die deutsche Lagerstättenkunde eine dominierende internationale Bedeutung hatte, sind seit etwa einhundert Jahren vorbei. Und wenn die universitäre Ausbildung in Deutschland zu wenig oder nicht ausreichend lagerstättenkundlich qualifizierte Geowissenschaftler hervorbringen sollte, dann kann ich mir vorstellen, dass die großen Firmen das machen, was die Erdöl-Multis schon heute machen: Dort erhalten die Berufsanfänger eine Zusatzqualifizierung in der Firma. Wahrscheinlich werden die Firmen aber auf Absolventen aus anderen Staaten zurückgreifen, die diese Kenntnisse in ihrem Studium aufgenommen haben.

Dennoch benötigt man natürlich auch in Deutschland noch Lagerstättenkundler. Ich denke da nicht nur an die "Nischen" im Steine-und-Erden-Bereich und die wenigen Firmen, die auch in ausländische Bergbauaktivitäten involviert sind, sondern an den zunehmend wichtiger werdenden Bereich der Geothermie, und hier vor allem den der tiefen Geothermie, aber auch an Themen wie Recycling, bei dem ich auch schon einige spannende Projekte hatte. Und dann benötigt man in Deutschland auch in Zukunft Lagerstättenkundler, die angehenden Ingenieuren oder Geowissenschaftlern lagerstättenkundliches Wissen näherbringen. Aber, machen wir uns nichts vor: Im rohstoffarmen Deutschland wird dies ein kleine Fach bleiben.

Thomas Kirnbauer ((c) Technische Hochschule Georg Agricola)

Prof. Dr. Thomas Kirnbauer amtiert seit dem Jahr 2002 als Professor für Lagerstätten der Steine und Erden - Mineralische Baustoffe an der Technischen Hochschule Georg Agricola. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen neben den Lagerstätten der Steine und Erden unter anderem Industriemineralien, Naturwerksteine, hydrothermale Mineralisation sowie Westfälischer und Nassauer Marmor. Professor Kirnbauer kooperiert in Forschung und Lehre mit zahlreichen in- und ausländischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Firmen der Steine-und-Erden-Industrie. Im Zuge seiner Forschungstätigkeit führte Professor Kirnbauer Feldarbeiten und geologischen Untersuchungen auf fünf Kontinenten durch. Weitere Informationen