Die Südostasienstudien gehören zu den Regionalwissenschaften. Sie beschäftigen sich mit der Region zwischen China, Indien und Australien, von Myanmar im Nordwesten bis zu Indonesien im Südosten. Im Gegensatz zu den systematischen Disziplinen gehen die Regionalwissenschaften nicht von einem klar umrissenen Problemfeld aus, sondern versuchen Weltregionen in ihrer eigenen Beschaffenheit umfassend zu verstehen und zu erklären. Regionalwissenschaften betrachten ihre Regionen vorrangig aus der Binnenperspektive und dabei spielen regionale Sprachen und lokale Weltsichten eine grundlegende Rolle. Sie sind per Definition disziplinübergreifend und schließen Diasporen, die über die eigentliche Region hinausreichen, mit ein. Südostasien ist durch seine geographische Lage und kulturelle Vielfalt, primär eine Region am Kreuzpunkt verschiedener historischer, politischer und ökonomischer Einflüsse.
Die Lehr - und Forschungspraxis wird maßgeblich von der besonderen Konstellation der Berliner Wissenschaftslandschaft geprägt. Die Südostasienstudien sind an der Humboldt Universität angesiedelt und Teil des Instituts für Asien- und Afrikawissenschaften, das sich auch mit Südasien, Zentralasien, China und Afrika beschäftigt. Es gibt enge fachliche Kooperationen mit der Freien Universität u.a. in der Beteiligung an gemeinsamen Graduiertenschulen. Innerhalb des Instituts gibt es einen gemeinsamen Bachelor - und in absehbarer Zukunft auch Master-Studiengang "Asien-Afrika Studien". Diese interregionale und universitätsübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht die Handhabung von Länderexpertisen. Seit Mitte der 1990er Jahre ist jedoch wiederholt an den Berliner Regionalwissenschaften gespart worden, was dazu geführt hat, dass mehr Aufgaben mit weniger Lehrpersonal bewältigt werden müssen.
Nach wie vor werden die Regionalwissenschaften eher als Randerscheinung gesehen und ihre Bedeutung für ein vertieftes Verständnis der multizentrischen, globalisierten Welt unterschätzt. Auch das methodische sowie theoretische Innovationspotential der Regionalwissenschaften, die ja gefestigte disziplinäre Kanons kritisch herausfordern, wird im deutschen Hochschulwesen noch nicht vollumfänglich anerkannt. In der Öffentlichkeit wirkt sich der in den letzten Jahren erstarkte Anti-Globalismus - der Rückkehr zum Nationalen und der populistischen Abneigung dem Fremden gegenüber - negativ auf die Stellung der außereuropäischen Regionalwissenschaften aus. Nachdem lange Zeit die zunehmende Bedeutung von außereuropäischen Regionen verneint wurde, wird heutzutage das Andere in einem Teil der Öffentlichkeit verstärkt als Bedrohung wahrgenommen. Die Regionalwissenschaften haben einen gesellschaftlichen Auftrag diese rückwärtsgewandte Entwicklung mit positivem Wissen und einer offenen Haltung entgegen zu treten. Das heutige Paradoxon ist, dass die gesellschaftliche Bedeutung der Regionalwissenschaften umso größer ist, je mehr fundiertes Wissen zur außereuropäischen Welt abgelehnt wird.
Die kleinen Fächer, wozu die Regionalwissenschaften/Südostasienstudien gehören, können sich nur behaupten, indem sie sich stärker als zuvor standortübergreifend sowie regionenübergreifend vernetzen. Die Entwicklung gemeinsamer methodischer sowie theoretischer Ansätze in Richtung einer selbständigen Quasi-Disziplin würde von einer stärkeren Vernetzung profitieren. Darüber hinaus ist es weiterhin wichtig die Verbindung zu den etablierten Disziplinen aufrechtzuhalten. Die meisten Regionalwissenschaftler*innen kommen aus oder beziehen sich verstärkt auf eine 'Anker'-Disziplin. Regionalkenntnisse sollen im disziplinären Wissen einfließen und dazu müssen Regionalwissenschaftler*innen etablierte Fächerkonferenzen besuchen und in Fachzeitschriften publizieren, die nicht lediglich auf die eigene Region spezialisiert sind. Diese Übersetzungsaufgabe ist in der Praxis oftmals nicht einfach aber strategisch notwendig. Wenn sie über die neuen Entwicklungen in den jeweiligen Disziplinen gut informiert sind, haben Regionalwissenschaftler*innen die Chance, ihre Forschungsergebnisse einem breiteren Fachpublikum zugänglich zu machen und somit an 'Relevanz' zu gewinnen.
Die wachsende geo-strategische und ökonomische Bedeutung von Südostasien wird gewährleisten, dass die Südostasienstudien in Zukunft weiterhin Bestand haben werden. In welcher Form und welchem Umfang das der Fall sein wird, ist aber von den allgemeinen Entwicklungen in der Hochschullandschaft abhängig. Die Herausforderung liegt darin, das Fach Regionalwissenschaften bzw. (Südost-) Asienstudien methodisch und theoretisch weiter zu entwickeln um somit Regionalwissen eine zentralere Stellung in der Euro-Amerikanischen Wissenschaft zu verleihen. Die Bildung und/oder Fortführung größerer Zentren für Regionalwissenschaften an mehreren deutschen Standorten wäre besser als die willkürliche Verstreuung einzelner Professuren und Lehrbereiche über die Bundesländer. Nur so kann eine kritische Masse erreicht werden. Darüber hinaus muss standortübergreifende Verbundforschung verstärkt werden und die generierten Forschungsergebnisse in gemeinsamen, frei zugänglichen Datenbanken geteilt werden. Die Kooperation mit politischen Stiftungen und Beratungsgremien sollte intensiviert werden, ohne das Prinzip der unabhängigen Forschung aufzugeben.
2001 wurde Vincent Houben an die Humboldt-Universität zu Berlin auf die Professur für Geschichte und Gesellschaft Südostasiens berufen. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Moderne Geschichte Südostasiens, Kolonial- und Imperialgeschichte sowie Theorie und Geschichte der Regionalwissenschaften. Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.iaaw.hu-berlin.de/de/region/suedostasien/seminar/geschichte/mitarbeiter-innen/prof-dr-vincent-houben