Die Ziele bei der Anwendung von Technologien im Sport und in der Sportwissenschaft nehmen ein breites Spektrum ein: So werden Sportgeräte und Ausrüstungsgegenstände im Hinblick auf sportliche Höchstleistungen oder unter gesundheitlichen Aspekten weiter- oder neu entwickelt, es werden spezielle Geräte für bestimmte Trainingsziele im Fitness-, Gesundheits- und Leistungssport entwickelt, Sensoren werden in Geräte, Kleidung oder Ausrüstungsgegenstände integriert und in Verbindung mit Tablets oder Smartphones zur Echtzeit-Leistungsdiagnostik eingesetzt, Methoden der Informatik werden zur effizienten Verarbeitung oder Verwaltung von Daten sowie im Rahmen der Modellbildung angewandt.
Die Otto-von-Guericke-Universität ging aus einer technischen Universität hervor und ist deshalb traditionell ingenieurwissenschaftlich geprägt. Bereits Anfang der 1990er Jahre gab es Bestrebungen Ingenieurwissenschaften und Sportwissenschaft zu verbinden. Der Studiengang "Sport und Technik" wurde dann zum Wintersemester 1997/1998 als Diplomstudiengang eingeführt und dann 2010 in einen Bachelor- und Masterstudiengang überführt. Da der Studiengang entsprechend nachgefragt war, wurde 2007 der Lehrstuhl "Sport und Technik" eingerichtet.
Es gibt mehrere ingenieurwissenschaftliche Fakultäten, eine naturwissenschaftliche Fakultät und eine medizinische Fakultät, so dass die Verbindung von Sportwissenschaft mit ingenieur- und naturwissenschaftlichen sowie sportmedizinischen Fragestellungen sehr gut realisiert werden kann.
Im Rahmen der Einrichtung des Lehrstuhls "Sport und Technik" wurden zwei große Laborräume mit umfangreicher Technik zur biomechanischen und bewegungswissenschaftlichen Diagnostik eingerichtet, die seither auch technisch auf aktuellem Stand gehalten werden konnte.
Dafür: In jeder Übertragung eines Fußball-Bundesliga-Spiels werden die höchsten erreichten Laufgeschwindigkeiten der Spieler angezeigt: Dies ist nur über die entsprechende Technologie, die die Spieler am Körper tragen, möglich. Diese Technologie musste entwickelt werden und diese Technologie muss eingesetzt werden. Ebenso, um im Beispiel Fußball zu bleiben, Torlinientechnologie. Die Entwicklung und Anwendung solcher Technologien ist u.a. die Aufgabe der Absolventen entsprechender Studiengänge.
Dagegen: Es ist eine gewisse Nische. Wenn man das Beispiel von eben nimmt, werden solche Aufgaben natürlich klassisch auch von Elektrotechnikern bearbeitet, ich selbst bin auch Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und habe als Zweitstudium Sportwissenschaft studiert.
Es bedeutet auf jeden Fall einen Mehrwert für das Fach: Bestimmte Entwicklungen sind nur durch Fachleute, die sowohl sportwissenschaftliche als auch ingenieurwissenschaftliche Kenntnisse haben möglich. So nutzen wir in meinem Lehrstuhl aktuell in mehreren Projekten mit Kooperationspartnern aus der Industrie und Sportverbänden Inertialsensoren um dem Sportler*innen und Trainer*innen ein Feedback in Echtzeit über bestimme Bewegungsmerkmale oder Leistungsparameter zu geben: So erhalten z. B. Kanutinnen und Kanuten Informationen über Schlagzahl, Herzfrequenz und Geschwindigkeit sowie bestimmte Technikmerkmale ihrer Bewegungsausführung während der Fahrt über ein Smartphone vorne auf dem Kajak.
Ich sehe die Zukunft sehr positiv: Die Technologisierung wird sowohl im Hochleistungssport als auch im ambitionierten Freizeitsport als auch im Gesundheitssport weiter zunehmen. Die eben genannten Inertialsensoren sind im Sport nur einsetzbar, da sie in letzten 15 Jahren zunehmend miniaturisiert wurden und dadurch am Körper getragen oder in Kleidung oder Geräte und Ausrüstungsgegenstände integriert werden können, ohne die Sportler*innen zu beeinflussen. Auch die Kosten für derartige Sensoren sind deutlich gefallen, so dass derartige Systeme in Verbindung mit Smartphones kostengünstig sind. Eine Ähnliche Entwicklung zeichnet sich im Bereich LIDAR (light detection and ranging) ab: Auch hier fallen die Hardwarekosten deutlich, die Systeme werden kleiner, so dass sie zukünftig günstig im Rahmen von Bewegungsanalysen eingesetzt werden können.
Herausforderungen: Die entsprechende Technologie muss einen echten Mehrwert bringen und darf nicht nur eine technische Spielerei sein. Die Entwicklung entsprechender Technologien ist häufig aufwendig und hat hohe Entwicklungskosten, die häufig nur über entsprechende staatliche Förderprogramme finanzierbar sind.
Jürgen Edelmann-Nusser hat seit 2007 die Professur "Sport und Technik" an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg inne - eine von deutschlandweit drei kartierten Professuren für das noch junge Universitätsfach Sporttechnologie. Zuvor war Edelmann-Nusser, der Elektrotechnik und Sportwissenschaft studierte und sich zum Thema "Sport und Technik" habilitierte, Professor für Informations- und Kommunikationstechnologien im Sport an der TU Darmstadt. Seine Forschungsschwerpunkte liegen neben der Sportgerätetechnik in der Sportinformatik sowie im Bereich Messtechnik und Leistungsdiagnostik im Sport. Weitere Informationen