Umströmung eines Schiffes (Quelle: TUHH)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Die Technische Universität Hamburg (TUHH) misst der maritimen Industrie als einem Bereich der Hochtechnologie besondere Bedeutung bei und hat als wichtige strategische Ausrichtung einen Forschungsschwerpunkt Maritime Systeme definiert. Der Schwerpunkt Maritime Systeme ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Interdisziplinarität. In diesem Bereich arbeiten unter anderem Strukturmechaniker mit Strömungsmechanikern, aber auch Werkstoffforscher mit Produktionstechnikern zusammen.
Das Verhalten von schiffbaulichen Strukturen unter Extremzuständen ist eng mit den auf sie wirkenden hydrodynamischen Belastungen verbunden. Ähnliches gilt für den Schiffsentwurf, bei dem die Fragen der Bewertung risikobehafteter Situationen auch im hoheitlichen Interesse eine zentrale Rolle spielen. Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Häfen befassen sich Mechaniker mit der Regelung von Containerkranen und Logistiker mit der Planung, Steuerung und Kontrolle des Gütertransports. Geotechniker arbeiten gemeinsam mit Forschern der Hydromechanik an der Boden-Struktur-Wasser-Interaktion von Konstruktionen im Meer und in Häfen.
Die schiffbaulichen Institute verfügen über hervorragende Kontakte zur Industrie, denn die Absolvent*innen der TUHH besetzen Führungspositionen in sämtlichen branchenrelevanten Firmen. So leistet die TUHH einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt und Ausbau der maritimen Industrie in Deutschland und damit zu deren kontinuierlicher Weiterentwicklung und Konkurrenzfähigkeit. Davon hängen Zehntausende hochqualitativer Arbeitsplätze ab.
Die TUHH kooperiert mit nahezu allen deutschen Akteuren der maritimen Industrie in Form von Forschungsprojekten und Unterstützung bei der Gestaltung von innovativen Produkten. Außerdem arbeitet sie mit bei der Entwicklung der maritimen Strategien der Bundesregierung über die Wahrnehmung von Funktionen in Verbänden, Gremien und Arbeitsgruppen.
Die Stärken der TUHH im Bereich Schiffbau und Meerestechnik lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Sehr gute und Ausbildung mit exzellentem Ruf der Absolvent*innen
  • Sehr gute Balance zwischen Grundlagen- und Industrieforschung
  • Geografische Nähe zur maritimen Industrie
  • Sehr gute Reputation bei Industrie- und Forschungspartnern

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Hamburg gilt als Zentrum der maritimen Dienstleistungen in Deutschland. Namhafte Forschungseinrichtungen und Institutionen für Ingenieurdienstleistungen widmen sich hier technischen Fragestellungen der Schifffahrt und des Schiffbaus wie auch der Hafenentwicklung und Logistik. Die TUHH versteht sich als Innovationsmotor und kooperiert intensiv mit führenden Unternehmen der maritimen Industrie, Klassifikationsgesellschaften wie DNV-GL und LR, sowie Forschungseinrichtungen wie der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA). Die Nähe zu maritimen Industrie- und Forschungspartnern wirkt sich im Bereich von Forschung und Ausbildung sehr positiv aus.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Schiffbau wird häufig mit rostigem Stahl und Eisen und handwerklicher Arbeit auf Werften gleichgesetzt, auch wird häufig die Frage gestellt, welche Forschungsaufgaben noch zu lösen seien, denn die Schiffe schwimmen doch schon. Daher arbeiten wir mit Nachdruck daran, dieses Image zu berichtigen, um ein wahres Verständnis für dieses vielfältige, spannende und innovative Fach zu erreichen. Hierzu gehört im Wesentlichen das Zusammenspiel der grundlegenden wissenschaftlichen Disziplinen unter Einbeziehung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und der praktischen Herausforderungen, mit denen das Gesamtsystem Schiff bzw. meerestechnische Konstruktionen konfrontiert sind. Der Systemgedanke ist hier entscheidend, und ein tiefgehendes Verständnis der Interaktion der Hochtechnologie Komponenten und Bereiche ermöglicht es unseren Studierenden, im Anschluss an ihr Studium jederzeit einen lukrativen Arbeitsplatz zu finden.

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Schiffbau und Meerestechnik leben von dem Verständnis für das betrachtete Gesamtsystem und der damit verbundenen Notwendigkeit, mit allen relevanten Disziplinen im Austausch zu stehen. Ein Weg, fortschrittliche Lösungen zu identifizieren, liegt in der Kooperation mit anderen Fächern, sowohl in den Grundlagen als auch in speziellen Anwendungsgebieten, da hierdurch unsere Absolvent*innen besser auf zukünftige Aufgaben vorbereitet werden. Der Vorteil derartiger Kooperationen besteht in der gemeinsamen Bearbeitung von Forschungsvorhaben, in denen fächerübergreifendes Wissen erarbeitet wird, welches in die Lehre einfließt.
Schiffe und Flugzeuge sind große Strukturen, die durch Wasser- bzw. Luftströmung starken Belastungen unterworfen sind. Deshalb lassen sich viele numerische Simulationsverfahren für beide Bereiche einsetzen, um das Verhalten der Struktur zu untersuchen. Deshalb bietet sich eine Kooperation bei der Entwicklung von numerischen Verfahren zwischen Schiff- und Flugzeugbau an.

5. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Die größte Herausforderung unseres Faches liegt in der Verbesserung des schiffbaulichen Images bei zukünftigen Studierenden. Leider wird in den Medien häufig negativ über Schiffbau und Meerestechnik berichtet, auch wenn viele positive technische und wirtschaftliche Entwicklungen in den letzten Jahren erfolgt sind und der jährliche Umsatz der maritimen Industrie auf 18 Milliarden Euro geschätzt wird. Die deutsche Schiffbauzulieferindustrie ist weltweit Marktführer. Der Export mit einem Anteil von mehr als 70 % spiegelt die besondere Stärke der deutschen Unternehmen wider. Diese Punkte müssen in der Zukunft besser kommuniziert werden, um die Sichtbarkeit der exzellenten Ausbildung in Deutschland mit 100%-Beschäftigung nach Abschluss zu erhöhen.

Sören Ehlers

Sören Ehlers hat seit 2014 die Professur für Design und Analyse von Schiffen und Offshore-Strukturen an der TUHH inne und ist Leiter des Instituts für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen. Zudem ist er Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Maritime Technik e.V. Weitere Informationen

Moustafa Abdel-Maksoud ist seit 2007 Professor für Fluiddynamik und Schiffstheorie. Er leitet das Institut für Strömungsdynamik und Schiffstheorie der TUHH und ist Vorsitzender des Forschungsschwerpunktes für Maritime Systeme der TUHH. Weitere Informationen