Die Medizinische Physik zählt mit rund 20 Professuren und 17 Standorten an deutschen staatlichen Universitäten zu den sogenannten kleinen Fächern. An weiteren Hochschultypen, die im Sommer 2021 in die Kartierung aufgenommen wurden, ist das Fach mit neun Professuren an sechs Standorten vertreten, darunter die Technische Hochschule Mittelhessen - THM. Martin Fiebich hat eine von insgesamt drei Professuren für Medizinische Physik an der THM inne. Zudem ist er Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik.
Die Medizinische Physik ist ein vielfältiges Fach an der Schnittstelle zwischen Medizin und Physik. Hierbei geht es vor allem um die Anwendung physikalischer Konzepte und Methoden zum Verständnis des menschlichen Körpers, die Anwendung und Entwicklung von physikalischen Verfahren zur Untersuchung und Behandlung von Patient*innen und die Bereitstellung physikalischer Hilfsmittel für die klinischen Tätigkeiten. Dazu sind Kenntnisse in den Naturwissenschaften, der Technik und der Medizin notwendig.
So vielfältig wie das Fach selbst, sind auch die Tätigkeiten von Medizinphysiker*innen. Sie reichen von der Arbeit in der Klinik und Forschung über die Entwicklung in der Industrie bis hin zur Arbeit in Behörden. Typische Arbeitsfelder liegen im Bereich der Nuklearmedizin, diagnostischen Radiologie und Strahlentherapie. Medizinphysiker*innen sind an vielen Stellen für den medizinischen Strahlenschutz zuständig.
Die Medizinische Physik als eigener Studiengang an deutschen Hochschulen ist noch jung. Erst ab den 2000er Jahren gab es die ersten eigenständigen Studiengänge Medizinische Physik. Die Inhalte des Faches waren aber zum Teil bereits vorher in den Studiengängen der Physik und der Biomedizinischen Technik an Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften enthalten, z.B. an unserer Hochschule seit den frühen 70er Jahren. Weiterhin gibt es Forschung und Entwicklung im Bereich der Medizinischen Physik an außeruniversitären Einrichtungen wie dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg oder dem Helmholtz-Zentrum-Berlin.
Die Medizinische Physik ist ein Teil der angewandten Physik. Daher ist am Standort der Technischen Hochschule in Mittelhessen eine starke Kooperation mit den Universitätskliniken an den Standorten Marburg, Gießen und Frankfurt aufgebaut, in denen ein Teil der Praktika, der Projektarbeiten und der Abschlussarbeiten durchgeführt werden. Die Partikeltherapie in Marburg ist eine herausragende Einrichtung zur klinischen Strahlentherapie, mit der eine besonders gute Zusammenarbeit besteht. Es ist hervorzuheben, dass die drei Professoren der Medizinischen Physik auch in der Uniklinik und/oder der Partikeltherapie in Marburg tätig sind. Weiterhin sind in den Laboren der Technischen Hochschule Mittelhessen mehrere Röntgeneinrichtungen vorhanden, an denen Messungen zur Bildqualität und zur Dosimetrie durchgeführt werden können. Insbesondere ist die im Rahmen von Forschungsprojekten eingeworbene Dosimetrieausstattung sehr gut im nationalen und internationalen Vergleich. So ergibt sich eine sehr gute praxisbezogene Ausbildung, gestützt durch die regen Forschungsaktivitäten an unserer Hochschule.
Alle Hochschulen in Deutschland haben unterschiedliche Schwerpunkte in der Ausbildung. Tendenziell enthalten die Studiengänge an den Universitäten mehr Theorie und sind stärker auf die Physik ausgerichtet, während an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ein höherer Praxisbezug für die klinische Anwendung der Medizinischen Physik vermittelt wird. Das ist aber abhängig von der jeweiligen Hochschule, z.B. an den Universitäten in Dresden und Tübingen existieren Studiengänge mit sehr hohem Praxisbezug. In der Übersichtstabelle der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik e.V. (DGMP) (https://www.dgmp.de/de-DE/177/studiengaenge/) finden sich Informationen zu den einzelnen Studiengängen und eine Übersicht über die Studiengänge in Medizinischer Physik für das gesetzlich festgelegte Medizinphysik-Expert*innen (MPE)-Qualifikationsniveau. Beide Hochschultypen Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften haben ihre Vor- und Nachteile, sodass es die individuelle Entscheidung der Studierenden ist, welche Studieninhalte und vermittelten Kompetenzen sie am meisten interessieren. Ein Vorteil ist, dass Universitäten immer das Promotionsrecht besitzen, also eine Promotion nach dem Masterstudium möglich ist, ohne die Hochschule zu wechseln. Allerdings besitzen bspw. an der Technische Hochschule Mittelhessen im Bereich der Medizinischen Physik auch Professoren das Promotionsrecht, sodass dieser Unterschied nicht immer zwangsläufig besteht.
Aufgrund der anwendungsbezogenen Ausbildung ist die enge Kooperation mit Krankenhäusern essenziell, da es wenig Sinn macht, alle Großgeräte nur für die Ausbildung anzuschaffen. Aufgrund der Nähe dreier Universitäten bestehen Kooperationen mit den Unikliniken in Gießen, Marburg und Frankfurt. Mit den Universitäten Gießen und Marburg gibt es ein gemeinsames Forschungszentrum (FZMH). Weiterhin bestehen im Rahmen von größeren und auch kleineren Projekten Kooperationen mit Unternehmen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und weiteren Hochschulen sowie universitären und anderen Krankenhäusern, vorrangig im Inland, aber auch im Ausland.
Die außeruniversitäre Forschung ist ein wichtiger Bestandteil der Forschungslandschaft im Bereich der Medizinischen Physik. Einige der außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind auch stärker im Bereich der Grundlagenforschung tätig. Mit einigen (dieser) Forschungseinrichtungen bestehen gemeinsame Projekte mit der Technischen Hochschule Mittelhessen, am ausgeprägtesten sind die Kooperationen mit der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig.
Die Zahl der Studierenden im Masterstudiengang Medizinische Physik ist recht konstant und bewegt sich bei uns bei ca. 30 Studierenden pro Jahr. So ist die Zahl der Professuren in diesem Bereich bei uns konstant geblieben. Insgesamt hat sich die Anzahl der Studiengänge der Medizinischen Physik stark erhöht, da zum einem die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt recht hoch ist und insbesondere die Physik-Fakultäten hier ein für Studierende interessantes Themengebiet identifiziert und entsprechende Studiengänge eingerichtet haben. Vermutlich wird sich die Zahl der Studiengänge nicht weiter erhöhen, da insbesondere ein ausreichendes Angebot für die demographisch eher sinkende Anzahl von Studierenden vorhanden ist.
Die Zukunft des Gebiets der Medizinischen Physik ist sehr positiv zu betrachten. Die Nachfrage nach Arbeitskräften der Medizinischen Physik ist z.B. in den Kliniken und Praxen sehr hoch, da mehrere hundert zusätzliche Stellen, die aufgrund gesetzlicher Neuregelungen geschaffen werden müssen, zu besetzen sind. Gleichzeitig sind auch in den Wirtschaftsunternehmen viele Stellen nicht besetzt, die in Medizinischer Physik entsprechend ausgebildete Personen suchen. Vor dem Hintergrund der weiteren Zunahme der medizinischen Versorgung ist auch zu erwarten, dass sich dieses in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern wird.
Positiv für das Fach wäre, wenn es - so wie in anderen Ländern schon üblich - eine staatliche Anerkennung des*der klinischen Medizinphysiker*in als Gesundheitsberuf geben würde.
Martin Fiebich hat seit 2000 eine Professur für Medizinische Physik an der Technischen Hochschule Mittelhessen inne. Er bekleidet eine Reihe von Ämtern, so ist er u.a. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP), Obmann des Normenausschusses "Bildgebende Verfahren in der Radiologie" sowie Mitglied des Vorstands der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und Leiter des Kompetenzzentrums Biotechnologie und Biomedizinische Physik. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in den Bereichen bildgebender Verfahren, Dosisoptimierung in der Radiologie, Dosimetrie. https://www.thm.de/lse/martin-fiebich