Screenshot der Seite visualize.numid.online mit Digitalisaten aus verschiedenen Münzsammlungen des NUMiD-Verbunds (geordnet nach den Prägestätten der Münzen) (Quelle: Johannes Wienand, NUMiD)

1. Wie ist NUMID entstanden?

Das "Netzwerk universitärer Münzsammlungen in Deutschland" (NUMiD) ist aus einem universitären Strukturproblem heraus entstanden: Nur wenige deutsche Universitäten sind bereit oder in der Lage, ihre numismatischen Sammlungen auf eine institutionell, personell und finanziell solide Basis zu stellen. Die sammlungsbasierte universitäre Numismatik hat in Deutschland aber eine lange Tradition und ist bemerkenswert breit aufgestellt: Es gibt in Deutschland etwa 40 universitäre Münzsammlungen, der Gesamtbestand beläuft sich auf ca. 300.000 historische Originalobjekte mit Schwerpunkt auf der griechisch-römischen Antike und dem Islam. Die Objekte können bis zu 2.600 Jahre alt sein und sind nicht nur in materieller Hinsicht, sondern vor allem auch für Forschung, Lehre und Wissensvermittlung von erheblichem Wert. Unter den Bedingungen struktureller Unterfinanzierung war es in den zurückliegenden Jahrzehnten nur an wenigen Standorten möglich, mit den Beständen kontinuierlich wissenschaftlich zu arbeiten. Als dann vor einigen Jahren die Idee geboren wurde, diesen besonderen akademischen "Schatz" in einem kooperativen Digitalisierungsprojekt gemeinsam zu heben, war das Interesse groß: NUMiD hat sich aus den betroffenen Instituten heraus als universitäres Verbundprojekt formiert, dem inzwischen alle mir bekannten numismatischen Sammlungen deutscher Universitäten angehören. Der Verbund stellt den beteiligten Universitäten kostenfrei ein ausgereiftes Datenbanksystem für die Dokumentation der Sammlungsbestände sowie für jeden Standort ein eigenes Online-Portal für die digitale Präsentation der numismatischen Objekte zur Verfügung und bietet administrative wie fachliche Unterstützung an. Auf der Seite numid.online werden die digitalisierten Sammlungsbestände virtuell zusammengeführt. Das Projekt wird vom BMBF finanziell unterstützt und profitiert von der wissenschaftlichen Expertise und dem digitalen Know-How des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin, unserem außeruniversitären Projektpartner. Die mit der Aufarbeitung der Bestände gewonnenen Forschungsdaten sind formal normiert, weisen eine einheitlich hohe Datenqualität auf und werden über offene Schnittstellen in internationale Forschungsportale eingespeist. Über eigens entwickelte Lehr-Module können sich Studierende nun zudem direkt an der Digitalisierung der Bestände beteiligen. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren haben sich so ganz neue Perspektiven für die universitäre Numismatik in Deutschland ergeben, auch wenn die meisten beteiligten Institute nach wie vor unter dem genannten Strukturproblem leiden.

2. Welche kleinen Fächer sind am Verbund beteiligt und welchen Mehrwert bringen sie mit ein?

NUMiD wird vor allem von der Klassischen Archäologie, der Alten Geschichte und der Islamwissenschaft getragen. Die Numismatik als münz- bzw. geldwissenschaftliche Spezialdisziplin ist typischerweise in diese Fächer integriert (als wir 2016 den Förderantrag eingereicht haben, war die universitäre Numismatik in Deutschland so unscheinbar, dass sie selbst von der Arbeitsstelle Kleine Fächer noch nicht "kartiert" war). Die beteiligten Fächer haben jeweils eigene Perspektiven auf die numismatischen Objekte, die sich gegenseitig ergänzen. Denn Münzen sind vielschichtige historische Originalzeugnisse: Nominalstufe, Prägetechnik, Legierung und Fundumstände bergen wirtschaftsgeschichtliches Erkenntnispotenzial; der Prägeanlass (z.B. eine Soldzahlung oder ein kaiserliches Geldgeschenk) gibt Aufschluss über typische Interaktions- und Kommunikationssituationen; Stadtwappen oder Herrscherporträts auf den Münzen lassen Aspekte politischer Repräsentation erkennen; und die Umschriften reflektieren kulturelle, religiöse und geschlechterspezifische Wert- und Rollenvorstellungen. Die universitäre Numismatik in Deutschland lebt von der Vielfalt an Zugängen zum numismatischen Material. Mal entstehen dabei Einzelpublikationen und Sammlungskataloge, mal werden metallurgische Analysen vorgenommen, 3D-Modelle erstellt oder Digitalisate mit künstlicher Intelligenz untersucht, mal geht aus der Lehre eine numismatische online-Ausstellung hervor. Persönlich interessiert mich derzeit besonders die Schnittstelle zwischen der spätantiken und der islamischen Numismatik: Hier gibt es vielfältige Berührungspunkte, das Erkenntnispotenzial wurde bisher nicht wirklich ausgeschöpft.

3. Können Sie ein Beispiel für eine gelungene Kooperation nennen?

Die wichtigste Kooperation ist für den NUMiD-Verbund die Zusammenarbeit mit dem Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin. Das Berliner Münzkabinett hat dem Verbund kostenfreie Lizenzen für die Nutzung des Datenbanksystems angeboten, pflegt und erweitert die im Verbund verwendeten Normdaten, unterstützt die Qualitätskontrolle und berät uns bei den unterschiedlichsten Fragen wissenschaftlicher und administrativer Art. Im Gegenzug profitiert das Berliner Münzkabinett unter anderem davon, dass auch einzelne universitäre Partner aus eigenen Mitteln Weiterentwicklungen des Systems finanzieren, die kostenfrei allen Partnern im Datenbankverbund zugutekommen (das ist über entsprechende Kooperationsverträge geregelt). Um die Zusammenarbeit zu intensivieren und einen deutlichen Mehrwert für beide Seiten zu gewinnen, hat die wissenschaftliche Koordinatorin des Verbunds mehrfach längere Arbeitsphasen bei unserem außeruniversitären Projektpartner absolviert. Auch über regelmäßige Workshops, an denen Vertreter der universitären Sammlungen ebenso mitwirken wie Vertreter des Berliner Münzkabinetts, tragen zu einem guten Austausch und einer konstruktiven und ergebnisreichen Arbeit bei.

4. Welches sind Herausforderungen innerhalb des Verbundes?

Im NUMiD-Verbund sind numismatische Sammlungen ganz unterschiedlicher Größe zusammengeschlossen, die auch ganz unterschiedliche institutionelle, personelle und finanzielle Voraussetzungen für die Arbeit mit ihren jeweiligen Beständen haben. Denn die Arbeit mit den Sammlungsbeständen erfolgt natürlich weiterhin vor Ort an den einzelnen Standorten, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort haben mit Forschung, Lehre und Selbstverwaltung teils ganz andere Sorgen, als sich um alte Münzen zu kümmern. Unterstützung kann der NUMiD-Verbund vor allem dort leisten, wo genügend Freiräume bestehen, die Unterstützung auch in Anspruch nehmen zu können. Und manchmal ist es aus verschiedenen Gründen bereits schwierig, vor Ort die Datenbanken einzurichten und den Verbundpartnern Projektgelder zur Finanzierung studentischer Hilfskräfte weiterzuleiten. Speziell die rechtlichen Anforderungen an Vertragsabschlüsse, Mittelweiterleitung und Datenschutz haben uns wiederholt vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Insgesamt aber besteht eigentlich überall der Wille, die Chancen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Die Eigenbrötlerei, die noch vor wenigen Jahren verbreitet war, ist der Überzeugung gewichen, dass es sich lohnt, die Herausforderungen zu bewältigen, um gemeinsam die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können.

5. Wie ist es um die internationale Sichtbarkeit Ihrer Arbeit bestellt?

Die digitale Numismatik ist international gut vernetzt, hier konnte sich NUMiD mit dem eigenen Datenbanksystem problemlos einfügen. Jedes Digitalisat, das innerhalb des Verbunds erarbeitet wird, kann direkt von den einzelnen Sammlungen über geeignete Schnittstellen mit den relevanten numismatischen Fachdatenbanken weltweit vernetzt werden. Auf einem bedeutenden, von der American Numismatic Society betriebenen Forschungsportal zur römischen Münzprägung beispielsweise stellt der NUMiD-Verbund den Großteil der internationalen Beiträge. Sammlungen des NUMiD-Verbunds sind inzwischen auf allen wichtigen numismatischen Portalen vertreten. Die numismatischen Sammlungsbestände, die noch vor kurzem weitgehend unbeachtet in den Tresoren deutscher Universitäten schlummerten, bereichern jetzt deutlich erkennbar die internationale Forschung. Zur Sichtbarkeit des Verbunds trägt auch bei, dass nicht nur die einzelnen Sammlungen ihre je eigenen digitalen Münzkabinette besitzen, sondern dass der gesamte Verbund mit der Seite numid.online zudem über ein gemeinsames Verbundportal verfügt, auf dem die Bestände der universitären Münzsammlungen in Deutschland virtuell zusammengeführt werden. Da die digitale Vernetzung nicht an Ländergrenzen Halt macht, wird es kaum verwundern, dass wir über eine Erweiterung des Verbunds über Deutschland hinaus nachdenken. Eine enge Zusammenarbeit besteht bereits mit dem Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien und mit dem Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien.

6. Wie funktioniert die Kooperation mit universitären und außeruniversitären Einrichtungen?

Innerhalb des Verbunds wirkt die wissenschaftliche Koordinatorin, Dr. Katharina Martin, als entscheidendes Bindeglied: Sie pflegt den kontinuierlichen Austausch mit den Verbundpartnern, hat stets die Projektziele im Blick und sorgt dafür, dass wir insgesamt Schritt für Schritt vorankommen. Dabei kommt sie auch viel in Deutschland herum und hilft den Sammlungen vor Ort etwa bei der Einweisung von Hilfskräften, bei der fotografischen Dokumentation der Bestände oder bei der Arbeit mit den Datenbanken. Gute Gelegenheiten für einen breiteren Austausch innerhalb des Verbunds bieten regelmäßige Workshops, für die wechselnde Standorte die Rolle des Gastgebers übernehmen. Je deutlicher sich der Verbund konsolidiert, desto interessanter werden die universitären Münzsammlungen auch als Gesprächspartner für vergleichbare Projekte wie etwa für den Numismatischen Verbund in Baden-Württemberg oder für das numismatische Verbundprojekt KENOM ("Kooperative Erschließung und Nutzung der Objektdaten von Münzsammlungen"). Insgesamt zeichnet sich ab, dass die Zusammenarbeit zwischen den universitären Sammlungen einerseits und Museen, wissenschaftlichen Akademien und Denkmalämtern andererseits enger und effektiver wird. Auch in der aktuellen Entwicklung rund um den Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) ist die universitäre Numismatik über den NUMiD-Verbund in der Lage, geschlossen aufzutreten, die universitären Sammlungen sichtbar und ansprechbar zu machen und ihren Interessen Gehör zu verschaffen.

Quelle: Johannes Wienand

Johannes Wienand ist seit 2018 Professor für Alte Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaft der TU Braunschweig und Leiter des Münzkabinetts am Herzog Anton Ulrich-Museum. Seine Forschungsschwerpunkte sind die athenische Demokratie und die römische Monarchie, der Bürgerkrieg und die antike Münz- und Medaillonprägung. Johannes Wienand ist Gründer und Sprecher des deutschlandweiten Forschungs- und Digitalisierungsverbunds NUMiD ("Netzwerk universitärer Münzsammlungen in Deutschland") und des DFG-Netzwerks "Interner Krieg: Gesellschaft, soziale Ordnung und politischer Konflikt im Altertum".