Prof. Michael Quante (Quelle: Peter Wattendorff, WWU)

Welche Bedeutung haben kleine Fächer für die WWU?

Grundsätzlich ist der Wert der kleinen Fächer der Kompetenzerhalt, der sowohl durch Lehre als auch Forschung gesichert wird. Das Bewahren von Wissen und Methoden von hoch spezialisierten Disziplinen - auch unter Einbeziehung modernster Techniken - ist eine dringliche Aufgabe der kleinen Fächer.

Allerdings greift der Begriff kleine Fächer zu kurz, um das disziplinäre Spektrum angemessen zu beschreiben, dessen nachhaltige Sicherung für die WWU unabdingbar ist, um die für das Profil einer sogenannten "Volluniversität" notwendige Basis in Forschung und Lehre zu schaffen. Nicht nur in den institutionell formierten kleinen Fächern, sondern auch in vielen Subeinheiten größerer Fächer (nicht nur der Geisteswissenschaften) werden theorie- und methodenbasierte Spezialkompetenzen vorgehalten und vermittelt, die der Generierung und dem Erhalt von spezifischen Wissensbeständen dienen, die für sich genommen wesentliche Bestandteile unserer "Wissensgesellschaft" bilden und zugleich aber auch als grundlegende Elemente zur Entwicklung disziplinenübergreifender neuer Forschungsperspektiven beitragen. Für die WWU ist der Erhalt eines breitgefächerten Spektrums von kleinen Fächern kein "Artenschutzprogramm", sondern eine essentielle Grundlage für die Fortentwicklung eines zeitgemäßen Forschungsprofils.

Studium und Lehre: Kleine Fächer sind, primär aus inhaltlichen Gründen, zum Teil aber auch aufgrund kapazitärer Grenzen (keine Ein-Fach-Bachelorstudiengänge), in verschiedene Verbundstudiengänge eingebunden. Durch solche Lehrimporte besteht auch auf Unterrichtsebene eine hohe Vernetzung zu verschiedenen Nachbardisziplinen - Studierende werden so von Beginn an in Interdisziplinarität geschult. Dies erstreckt sich auch auf universitäts- und sogar länderübergreifende Lehrkooperationen, indem durch Austausch von Lehrpersonal Lehrangebotsbedarfe abgedeckt werden können. Hier gilt: Lehrende pendeln und nicht Studierende (Beispiel: Lehraustausch in der Altorientalistik mit Leuven und Amsterdam).

Forschung: Durch ihre breite Anschlussfähigkeit sind kleine Fächer sehr häufige Partner in inneruniversitären, aber auch überregionalen Forschungsverbünden. Kleine Fächer sind in besonderer Weise prädestiniert, die Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu intensivieren (Akademien, Max-Planck-Institute, Deutsches Archäologisches Institut etc.) - solche Kooperationen werden an der WWU auf vielfältige Weise mit wissenschaftlichem Leben erfüllt.

Besonderheiten: Insgesamt gibt es viele kleine Fächer an der WWU (43 lt. Fächerliste im Kleine Fächer-Portal), insofern sind sie an der WWU tatsächlich profilbildend. Manche dieser kleinen Fächer sind deutschlandweit sehr selten und bilden daher ein Allein- oder zumindest Sonderstellungsmerkmal (z.B. existiert die Koptologie mit einer vollen Professur nur an der WWU). Der Forschungstransfer aus den kleinen Fächern gelingt dank einer hohen öffentlichen Aufmerksamkeit in der Stadt. Auch hier ist wieder die Kooperation mit außeruniversitären Partnern (z.B. Landschaftsverband Westfalen-Lippe) hervorzuheben.

Wegen insgesamt kleiner Fachcommunities besteht innerhalb der kleinen Fächer schon lange eine hohe internationale Vernetzung; hervorzuheben ist auch die internationale Spitzenforschung von einzelnen Vertretern der kleinen Fächer. Damit bilden die kleinen Fächer mit ihrer Vielfalt und Intensität einen wesentlichen Faktor der Internationalisierungsstrategie der WWU.

Potenziale: Kleine Fächer sind in der Regel bereits in ihrem Fachverständnis sehr interdisziplinär und anschlussfähig. Damit fügen sie sich sehr gut in das Profil der WWU ein. Diese Passung ist ein entscheidender Faktor für die Einwerbung und den Ausbau koordinierter Forschungsvorhaben (Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs, Exzellenzstrategie etc.)

Schwierigkeiten: Mit Blick auf den wissenschaftlichen Nachwuchs bringt die Lehre in den Kombinationsstudiengängen auch eine Herausforderung mit sich, da durch die Vorgaben in der Organisation solcher Studiengänge die Vertiefung der Fachinhalte an Grenzen stößt. Die teilweise geringen Studierendenzahlen, insbesondere im Fachmaster, resultieren zum Teil sicher auch aus der Tatsache, dass die Zahl der Professuren insgesamt gering ist. Aktuell unternehmen wir einen Versuch, diesem Problem durch eine öffentlichkeitswirksame und auf ein jugendliches Publikum zugeschnittene Ausstellung aller geisteswissenschaftlichen kleinen Fächer (im Archäologischen Museum) zu begegnen.

Insbesondere die kleinen Fächer müssen die Herausforderung, einerseits stabile Fachvertretungen auf Planstellen langfristig gewährleisten zu müssen (kleine Fächer bedienen mit wenig Personal eine große wissenschaftliche Breite), andererseits aber auch hohe Flexibilität in innovativen, neu entstehenden Feldern, z.T. in Querschnittsbereichen zwischen den Fächern zu bewahren, bewältigen. Bei Umwidmungen von Professuren drohen gelegentlich ganze Fächer wegzufallen. Wünschenswert wären dagegen z.B. verstärkte Bemühungen um gemeinsame Berufungen mit Institutionen wie dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (z.B. Denkmalpflege, Kunstgeschichte, Landesgeschichte).

Im Hochschulentwicklungsplan der WWU werden verschiedene Maßnahmen zur Förderung kleiner Fächer angeführt. Bitte stellen Sie uns diese Maßnahmen vor.

Basisfinanzierung: Zentral für die kleinen Fächer ist eine stabile Finanzierung. An der WWU wird diese einerseits durch die Basisfinanzierung (Sockelbetrag von 15.000 EUR pro W3 und 7.500 EUR pro W2-Professur) sowie durch eine leistungsorientierte Mittelvergabe, die auf die spezifischen Bedingungen der kleinen Fächer Rücksicht nimmt, gewährleistet. Die finanzielle Absicherung einer adäquaten Grundausstattung durch eine an den Gegebenheiten der kleinen Fächer orientierten Schlüsselzuweisung an der WWU ist als Standortvorteil besonders hervorzuheben, da sie eine seltene Ausnahme in der deutschen Hochschullandschaft darstellt.

Zentren: Die WWU ist bemüht, die disziplinäre Identität der kleinen Fächer - auch institutionell - zu wahren, ihren Zusammenhalt aber auch durch Zentrenbildungen zu stärken, die weit über die Fachbereichs- und Fakultätsgrenzen hinausreichen.

Diese Zentren dienen der Netzwerkbildung und fördern die interdisziplinäre Kommunikation. Sie sind durchlässig in den Statusgruppen, so dass es auch zu interdisziplinären Initiativen von Studierenden (z.B. Studierendentagung am Centrum für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraums (GKM) mit internationalen Gästen) bzw. des Mittelbaus (z.B. Workshops, Gemeinschaftspublikationen) kommt. Aus solchen Zusammenschlüssen sind bereits Anträge für Verbundprojekte entstanden, denn die Zentren haben einen hohen Synergiewert. Dabei sind die Synergieeffekte nicht nur "technischer Art", sondern ermöglichen die Bearbeitung ganz neuer Forschungsfelder. Auch interdisziplinäre Lehre wird über Zentren organsiert (interdisziplinärer MA-Studiengänge "Antike Kulturen des östlichen Mittelmeerraumes", "European Master in Classical Cultures" sowie einzelne interdisziplinäre Lehrveranstaltungen, z.B. Archäoinformatik, Archäometrie).

Aus den Zentren entstehen auch Initiativen im Forschungstransfer (z.B. über das Archäologische Museum; Q.Uni-Camp (Q.UNI - Kinder- und Jugend-Uni Münster); Tag der Archäologien für die Öffentlichkeit Münsters).

Die bedarfsbezogene und flexible Ermöglichung von Zentrumsgründungen, die Teil der WWU-Strategie ist, führt zu einer großen Vielfalt. Derzeit ist die WWU dabei, sich über Struktur und Aktivität der Zentren einen strukturierten Überblick zu verschaffen, um das Instrument der Zentren für ihre strategischen Ziele noch effektiver nutzen zu können.

Die WWU unterstützt die Vision einer NRW-weiten Vernetzung kleiner Fächer. Wie könnte dies aussehen?

Vernetzungen von kleinen Fächern in NRW gibt es für die einzelnen Fächer bereits, sowohl informell als auch formal (Bsp. Ägyptologie: jedes Semester Treffen an einem Standort Köln/Bonn/Münster mit Vorträgen und Diskussionen zu Forschungs-, Lehr- und Strukturfragen. Die Blocklehrveranstaltungen sind immer für die Hörer der jeweils anderen Standorte geöffnet).

Die kleinen Fächer sind allerdings auch wegen eines inhärenten Problems einer solchen Initiative besorgt: Es besteht die Befürchtung der Zentralisierung einzelner kleiner Fächer an einigen wenigen Standorten (mit der Aufgabe an anderen Standorten), welche die bisherige große Breite an Volluniversitäten abzulösen droht. Nur durch den Erhalt der kleinen Fächer an mehreren Universitäten jedoch ist das große Potenzial von Interdisziplinarität und Anschlussfähigkeit zu unterschiedlichen anderen Disziplinen nachhaltig gegeben.

Studierende zeigen im Archäologischen Museum die Wand der "Kleinen Fächer" (Quelle: Lianne Hecht, WWU – Archäologisches Museum)