Paphos (Quelle: Martina Seifert, UHH)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Das Fach Klassische Archäologie ist in Deutschland derzeit an 27 Standorten mit über 40 Professuren vertreten. Als kulturhistorische Disziplin beschäftigt sich die Klassische Archäologie mit den materiellen Hinterlassenschaften und der Kulturgeschichte der von den Griechen und Römern besiedelten Gebiete und der mit ihnen in Beziehung stehenden Regionalkulturen im Mittelmeerraum, so z.B. mit den Etruskern, Italikern, Eteokyprern, Phöniziern oder Puniern. Der erforschte Zeithorizont erstreckt sich von der Ägäischen Bronzezeit (ca. 3200 v. Chr.) bis zum frühen Mittelalter (ca. 500-800 n. Chr.). Die Mittelmeerregion als Kulturraum wirkt seit der Antike in die Gesellschaft hinein und prägt in besonderem Maße unsere Gegenwart, für deren Verständnis die Klassische Archäologie einen unverzichtbaren Beitrag leistet. Die aktuellen Forschungsfelder umfassen unter anderem Themen aus zentralen menschlichen Lebensbereichen wie Stadt- und Siedlungsforschung, Alltagsleben und Begräbnissitten, soziale und gesellschaftliche Organisationsformen, Kult und Religion, Wirtschaft, Verkehr und Handel oder Landschafts- und Klimaentwicklung. Behandelt werden beispielsweise Fragen zu Kulturvergleichen, Rezeption und Gegenwartsbezügen, zu Kommunikation und Medien, zu Bildung, Migration, Identität, Macht oder Herrschaft.

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

An der Universität Hamburg ist die Klassische Archäologie strukturell in den Fachbereich Kulturwissenschaften an der Fakultät für Geisteswissenswissenschaften eingebunden und kann als Mono-Bachelor- und Mono-Master-Fach studiert werden. Das kulturwissenschaftliche Profil orientiert sich an sozialanthropologischen und bildwissenschaftlichen Theorien ("Hamburger Schule") und verfügt über einen Schwerpunkt in der praktischen Feldforschung (non-invasive geophysikalische Prospektion, Ausgrabungen, Forschungstauchen, Archäometrie). Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Universität Hamburg investieren seit vielen Jahren zum einen in infrastrukturelle Maßnahmen wie Großgeräte und Digitalisierung, zum anderen wurden verschiedene Instrumente zur Implementierung von forschendem Lernen oder zur Weiterbildung in der Lehre etabliert. Durch die derzeitige Ausstattung mit zwei ordentlichen Professuren, einer Juniorprofessur und zwei halben Mitarbeiterstellen ist mittlerweile eine solide Lehr- und Forschungsumgebung für eine grundständige umfassende Ausbildung der Studierenden entstanden. Die weitgehende Unabhängigkeit der persönlichen Grundgehaltsbezüge an der Universität Hamburg von der Höhe der eingeworbenen Drittmittel führt zu einer verstärkten interdisziplinären Kooperation der Kolleg*innen und somit der Fächer innerhalb der Universität. Dies wirkt sich positiv auf die Ausbildung von fachbezogenen und universitären Forschungsschwerpunkten aus und spiegelt sich in der Ausbildung, und damit letztlich in den Absolvent*innenzahlen und Drittmittelquoten wider. Die zahlreichen prekären Beschäftigungsverhältnisse auf der Mittelbauebene entwickeln sich allerdings mit Blick auf den dauerhaften Erhalt von Kernkompetenzen und auf nachhaltige Lehr- und Forschungsstrukturen gerade in einem kleinen Fach wie der Klassischen Archäologie zu einem Problem. Die zunehmende Übernahme von administrativen Aufgaben durch das wissenschaftliche Personal engt die Freiräume für kreative Forschung und qualitätsvolle Lehre ein.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

In der Öffentlichkeit ist das Fach Klassische Archäologie gemessen an der multimedialen Aufmerksamkeit in hohem Maße sichtbar. Dokumentationen, Berichte über Fundstücke oder fiktive Geschichten greifen regelmäßig Ankerthemen aus der Klassischen Archäologie auf. Keine Rolle spielt dabei, ob Lehre und Forschung mit einem traditionell altertumswissenschaftlichen Profil wie an den meisten Standorten in Deutschland oder mit einer kulturwissenschaftlichen Ausrichtung wie in Hamburg in die Gesellschaft hineinwirken. Der Grad an lokaler, regionaler und überregionaler Vernetzung mit Bildungsinstitutionen wie Museen, Schulen oder Medien und das Einbringen von eigenen Themen, auch zunehmend über soziale Medien durch die Wissenschaftler*innen, bilden wesentliche Faktoren für die öffentliche Sichtbarkeit. Sichtbarkeit muss grundsätzlich gewollt sein und braucht Gesichter. Dass bestimmte Themen wie zum Beispiel der Kulturgüterschutz konjunkturabhängig sind, muss hierbei berücksichtigt werden. Innerhalb des deutschen Hochschulsystems hängt die Sichtbarkeit der Klassischen Archäologie nur zu einem Teil von der Präsenz und wissenschaftlichen Leistung einzelner Forscher*innen dargeboten durch Drittmittelprojekte, Preise oder Auszeichnungen ab. Politische und ökonomische Entscheidungen stellen die Weichen für einen Studiengangerhalt und seine Ausstattung. Die Relevanz fachlicher Inhalte oder das Ausmaß an Erkenntniszuwachs standen in der Vergangenheit selten im Vordergrund. Eine wichtigere Rolle spielten Entwicklungsstrategien von Fakultäten und Universitäten mit einem Fokus auf den prospektiven Erfolgen bei Förderinitiativen. Bei einem kleinen Fach wie der Klassischen Archäologie mit meist geringer Personal- und Sachmittelausstattung führen Indikator-basierte Entscheidungen über die Studiengangexistenz, die auf Faktoren wie der Vernetzung innerhalb der Universität, Alleinstellungsmerkmalen oder regionalem Wettbewerb in Forschung und Lehre, Internationalisierung, Drittmittelquote, Absolventen- und Studierendenzahlen beruhen, schnell zu einer Marginalisierung. Für die Klassische Archäologie ist das Bekenntnis einer Hochschule zur Volluniversität oder die dezidierte Entscheidung zur Einbindung von kleinen Fächern in Förderformate des Bundes, der Länder und der Universitäten eine Garantie für die Möglichkeit zur Sichtbarwerdung im innerdeutschen Hochschulsystem. Die Förderlinie 'Kleine Fächer - große Potenziale' des BMBF und die Kartierung der sog. Kleinen Fächer an deutschen Universitäten durch die Mainzer Arbeitsstelle Kleine Fächer haben an der verstärkten Sichtbarkeit der Klassischen Archäologie in den vergangenen Jahren ihren gebührenden Anteil.

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Das Fach Klassische Archäologie verfügt in der Forschung traditionell durch Fachgenese über eine ausgeprägte Vernetzung mit der kunsthistorischen und den altertumswissenschaftlichen Disziplinen. In den letzten Jahrzehnten hat das Fach an vielen Standorten in Deutschland im Bereich der archäologischen Feldforschung eine Hinwendung zu den Naturwissenschaften und den Digital Humanities vollzogen, während in der Theoriebildung ein lebhafter Diskurs mit den kulturwissenschaftlichen, medienbezogenen und historischen Fächern besteht. Interdisziplinäre oder transdisziplinäre Forschungen generieren grundsätzlich einen wissenschaftlichen Mehrwert, entscheidend ist die adäquate Problemstellung, die sich in der Klassischen Archäologie von rein positivistischen Ansätzen reiner Objekt- und Gattungsbetrachtungen zu kulturwissenschaftlichen Fragestellungen entwickelt hat. Verbundforschungen unterschiedlichen Formats spielen in diesem Zusammenhang für aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen, zu denen die Klassische Archäologie beitragen kann, eine wesentliche Rolle. Bei der Generierung von Forschungsdaten haben weiterhin interdisziplinär ausgerichtete Prospektionen, Ausgrabungen oder Materialanalysen Konjunktur. Zu den wichtigen Kooperationspartnern zählen hierbei nicht nur andere Fächer an der eigenen Universität oder im regionalen, überregionalen und internationalen Kontext, sondern besonders auch Forschungsinstitutionen, Museen oder Denkmalbehörden. In der akademischen Lehre führt trans- oder interdisziplinäre Zusammenarbeit durch den Blick über den disziplinären Tellerrand hinaus besonders im Bereich des Forschenden Lernens zu einem beachtlichen Erkenntnisgewinn. Wesentlich für das Gelingen sämtlicher Kooperationen ist das Einbringen fachspezifischer Inhalte, Methoden und Kompetenzen.

5. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

In den letzten Jahren wurden kleine Fächer an vielen Universitäten in Deutschland sukzessive abgebaut, so auch die Klassische Archäologie. Die Ursachen und Gründe sind vielfältig. Im Bereich der Lehre hat die Bologna-Reform mit dem Bachelor- und Mastersystem sicherlich dazu beigetragen, dass vielerorts die Einheit von Fach und Studiengang aufgehoben wurde und gerade an Standorten mit Ein-Professoren-Fächern ein verstärkender Marginalisierungseffekt durch die Wiederbesetzung von ordentlichen Professuren durch oftmals befristete Juniorprofessuren eintrat. An anderen Standorten kam es zur Verkleinerung des Faches durch die Streichung von Professorenstellen nach Ablauf der Dienstzeiten und/oder durch langsames Ausbluten durch längerfristig andauernde Vakanzhaltungen von Professuren. Ob sich der Beschluss der Hochschulrektorenkonferenz, Fachinhalte der kleinen Fächer als Wertschätzung ihres Anteils am Weltwissensbestand zu bewahren, nachhaltig positiv auf den Erhalt von Studiengängen an den deutschen Hochschulen auswirken wird, bleibt abzuwarten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass im Fall der Klassischen Archäologie das Clustern von archäologischen oder altertumswissenschaftlichen Fächern in einem Studiengang oder eine Profilbildung durch spezifisch thematische Ausrichtung oftmals zur Verwässerung von Fachinhalten und Verlust von Fachidentitäten führt, die sich in der Qualität der Lehre widerspiegeln. Im Bereich der Forschung lässt sich der Trend zur zunehmenden Ökonomisierung von Wissenschaft für die Klassische Archäologie aus unterschiedlichen Perspektiven bewerten: Als geisteswissenschaftliche Disziplin, die kulturelles Wissen aufbereitet, kritisch hinterfragt und in die Gesellschaft transportiert, ist das Fach gemessen an Hochstandorten und Personalausstattung in den letzten Jahren immens erfolgreich in verschiedenen Förderinitiativen, nicht zuletzt in den Exzellenzinitiativen gewesen. Dieser Erfolg hängt auch mit der interdisziplinären Anschlussfähigkeit des Faches an die Naturwissenschaften und seinem starken Impact auf die Digital Humanities zusammen. Inwieweit dies zu vermehrter Auftragsforschung geführt hat und wie es um die Nachhaltigkeit der Forschungsthemen bestellt ist, wird sich zukünftig zeigen. Eine Wirtschaftslobby für Klassische Archäologie gibt es mit Sicherheit nicht. Für eine positive Entwicklung des kleinen Fachs Klassische Archäologie bilden Standortsicherung, Wahrung von Fachidentität, Gelegenheit zur Vernetzung innerhalb der eigenen Universität, Teilhabe an strategischen Kommunikationsprozessen und Zugang zu Förderinstrumenten wichtige Voraussetzungen für Qualität in Lehre und kreative, erfolgreiche Forschung. Faire Bemessungsgrundlagen und Stichtage für die Erhebung von Kennzahlen und die transparente Kommunikation von Governancestrategien, deren Implementierung möglicherweise schon viele Jahre zurückreichen, wären vielerorts hilfreich.

Seit 2010 ist Martina Seifert Professorin für Klassische Archäologie am Archäologischen Institut der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Griechische Keramik, im Speziellen ihre Herstellung und Funktion, Ikonographie, sowie Antike Feste, Siedlungsarchäologie und die Archäometrie. Zudem ist sie u.a. Mitglied im Fakultätsrat der Fakultät für Geisteswissenschaften. Für weitere Informationen: https://www.fbkultur.uni-hamburg.de/ka/personen/seifert.html