(Quelle: Katja Schmidtpott)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Das Fach Japanologie ist mit derzeit 15 Instituten an deutschen Universitäten vertreten. Im Durchschnitt ist es pro Standort mit 2,5 Professuren (inkl. befristeter Professuren) ausgestattet. Diese sehen sich üblicherweise jeweils mehreren hundert Studierenden gegenüber, da sich das Fach in Deutschland - wie auch in anderen europäischen Ländern - seit Jahren einer großen Beliebtheit erfreut, die auf absehbare Zeit weiter anhalten wird. Inhaltlich teilt sich das Fach Japanologie bzw. Japanwissenschaften grob in zwei unterschiedliche Richtungen auf: in eine historisch-philologische und in eine sozialwissenschaftliche Richtung. Oft wird das Fach zur Gruppe der "Sprach- und Kulturwissenschaften" gezählt, womit sich jedoch nicht alle FachvertreterInnen identifizieren können, da diese Bezeichnung eine Verengung der methodischen Breite des Faches bedeutet. Tatsächlich ist die Japanologie ein heterogenes, stark ausdifferenziertes Fach. Es gibt die literaturwissenschaftliche, die historische, die wirtschaftswissenschaftliche, die politikwissenschaftliche, die medienwissenschaftliche, die religionswissenschaftliche, die sprachwissenschaftliche Japanologie usw. Angesichts dieser Vielfalt tendieren mehr und mehr FachvertreterInnen dazu, das Fach in einem methodisch offenen Sinne als "Regionalwissenschaft" zu verstehen, wobei sich die Schwerpunkte in Forschung und Lehre in den einzelnen Instituten nach den Interessen der jeweiligen FachvertreterInnen richten. Ungeachtet der Ausrichtung des Faches am jeweiligen Standort ist jedoch überall das Erlernen der japanischen Sprache in Wort und Schrift integraler Bestandteil des Studienprogramms, da der Umgang mit japanischen Quellen und Sekundärliteratur Grundvoraussetzung für jegliche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit japanbezogenen Themen ist.

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

An der Ruhr-Universität Bochum ist die Japanologie Teil einer eigenen, deutschlandweit einzigartigen Fakultät für Ostasienwissenschaften. Diese institutionelle Besonderheit schützt das Fach, das andernorts in wesentlich größeren, oftmals auch fachlich heterogeneren Fachbereichen bzw. Fakultäten angesiedelt und so der Gefahr ausgesetzt ist, als "Kleines Fach" bei Ressourcenentscheidungen zugunsten der "Großen Fächer" benachteiligt zu werden. Die Fakultät erfreut sich derzeit einer gewissen Stabilität, nicht zuletzt, da die aktuelle Universitätsleitung an Asien, speziell Japan, recht interessiert ist. Glücklicherweise befinden sich in der Bochumer Fakultät für Ostasienwissenschaften noch weitere Professuren, die - wie meine eigene - historisch ausgerichtet sind, so daß gemeinsame Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekte zur modernen Geschichte Ostasiens möglich sind. Derzeit unterrichte ich beispielsweise zusammen mit meiner Kollegin aus der Geschichte Chinas ein Masterseminar zur Geschichte der Mandschurei. Die inhaltliche Verbundenheit über die gemeinsame historische Ausrichtung wirkt sich hier sehr positiv aus. Ebenso günstig ist die schiere Größe der ostasienwissenschaftlichen Bibliothek in Bochum, die seit über fünf Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen ist, sowie die Existenz zweier sehr wertvoller Sammlungen, des sog. "Siebold-Archivs" und der Bochumer Altjaponica-Sammlung, die sowohl in der Lehre eingesetzt werden, als auch Forschungsprojekte im Bereich Digital Humanities ermöglichen. Negativ beeinträchtigt wird die Lehrpraxis durch die Unterausstattung mit Personal angesichts der hohen Studierendenzahlen im Bachelor. Im aktuellen Semester sind in Bochum rund 470 Studierende im Bachelor Japanologie eingeschrieben, die von zwei Professuren betreut werden.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Japanologie entgegengebracht wird, unterliegt stark wechselnden Konjunkturen. Dies ist möglicherweise typisch für ein regionalwissenschaftliches Fach, dessen Wahrnehmung durch die aktuelle Nachrichtenlage über die jeweilige Region, auf die es bezogen ist, beeinflußt wird. Im Fall der Japanologie war in den 1980er und 1990er Jahren das öffentliche Interesse an Japan bedingt durch dessen starke Wirtschaftsentwicklung sehr groß und das Fach Japanologie konnte davon durch die Einrichtung neuer Professuren profitieren. Nun, da Japan in wirtschaftlicher Hinsicht seit einigen Jahren im Schatten Chinas steht, geht das öffentliche Interesse zurück und die Bereitschaft, das Fach adäquat auszustatten - oder auch nur zu erhalten - nimmt in einigen Universitäten ab. Eine angemessene Wahrnehmung des Faches Japanologie müsste jedoch nicht nur Japans wirtschaftliche Performance, sondern auch die Entwicklung der Studierendenzahlen berücksichtigen, die sich genau gegenläufig verhält. So erfreut sich das Fach seit ca. 10-15 Jahren eines ungebremsten Aufschwungs, insbesondere die Bachelor-Programme platzen vielerorts aus allen Nähten. Gespräche mit Studierenden belegen immer wieder, dass nur für sehr wenige Studierende die wirtschaftliche Bedeutung Japans eine Rolle bei der Studienfachwahl gespielt hat, während in der Faszination für japanische Populärkultur, die längst Teil der deutschen Jugendkultur geworden ist, der entscheidende Faktor zu sehen ist.

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Die Japanologie ist keine eigene Disziplin, sie hat keine eigene Methodik. Je nach Ausrichtung tendieren viele FachvertreterInnen daher ohnehin zur Vernetzung mit den entsprechenden Disziplinen (Literaturwissenschaft, Geschichte, Soziologie etc.), deren theoretisch-methodische Zugänge sie in Bezug auf Japan verwenden, um sowohl inhaltlichen, als auch methodischen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Schwieriger ist die, freilich von einigen Hochschulleitungen erwartete, Zusammenarbeit zwischen disziplinär unterschiedlich ausgerichteten VertreterInnen von geographisch nahen Fächern, wie es etwa die "Asien-Fächer" für die Japanologie sind. Wer z.B. die japanische Sprachgeschichte erforscht, hat wenig inhaltliche Anknüpfungspunkte mit einem Spezialisten für die chinesische Wirtschaft, obwohl Japan und China geographisch nahe beieinanderliegen.

5. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Die Zukunft des Fachs Japanologie bzw. Japanwissenschaften hängt erwiesenermaßen stark von den strategischen Entscheidungen der jeweiligen Universitätsleitungen ab. Wechsel in der Universitätsleitung können dramatische Folgen für das Fach haben, sie können zum Auf- oder Abbau des Faches am jeweiligen Standort führen. So hat die Japanologie in Deutschland im Lauf der letzten 10-15 Jahre, in der die Studierendenzahlen in ungeahnte Höhen vorgestoßen sind, leider einige Institute verloren. Wünschenswert wäre die Abkopplung der Fachentwicklung von kurzlebigen (wirtschafts-)politischen Konjunkturen, die oftmals die Entscheidungen der Hochschulleitungen zu beeinflussen scheinen. Eine positive Entwicklung bedarf vor allem der Kontinuität. Wie kann dies erreicht werden? Es ist wohl eine stetige Lobbyarbeit der FachvertreterInnen erforderlich, da erfahrungsgemäß in den Universitätsleitungen bzw. in der Universitätsöffentlichkeit nur wenig über das Fach bekannt ist. Noch erschreckend oft begegnet den FachvertreterInnen das Stereotyp des "Orchideenfachs", während auf dem Arbeitsmarkt die Zahl der für JapanologInnen ausgeschriebenen Stellen seit Jahren stetig wächst. Die große Beliebtheit der Japanologie unter den Studierenden, ihr Beitrag zur Internationalisierung der Universität oder, so vorhanden, ihre Verantwortung für wertvolle Sammlungsbestände kulturellen Erbes muss im Rahmen einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit immer wieder betont werden. Ebenso ist es von Vorteil für die Sichtbarkeit - und den Erhalt - des Faches, wenn die FachvertreterInnen sich in universitätsweiten Gremien engagieren. Das Gleiche gilt natürlich auch für eine Vernetzung der Studiengänge mit dem Studienangebot "Großer Fächer", sowie nicht zuletzt für erfolgreich eingeworbene Drittmittel.

In der Lehre müsste den stark gewachsenen Studierendenzahlen besser Rechnung getragen werden. Eine adäquate Personalausstattung ist nötig, um Sprachkurse und Seminare in vernünftiger Größe veranstalten zu können. Auch die Einführung eines NCs hat sich in dieser Hinsicht als hilfreich erwiesen, der jedoch an den meisten Standorten nur schwer durchsetzbar ist. Vorteilhaft wäre wohl auch eine ggf. bundesländerübergreifende, an fachlichen Kriterien orientierte Zusammenführung der Institute im Rahmen einer Zentrenbildung (die jedoch keine verkappte Sparmaßnahme sein darf und die FachvertreterInnen einbeziehen muss). Derzeit ist die Fachlandschaft zersplittert: es gibt zwar relativ viele japanologische Institute in Deutschland, jedoch haben diese zu wenig Personal, als dass eine umfassende, multiperspektivische Auseinandersetzung mit Japan möglich wäre. Das Themenspektrum, das am jeweiligen Standort in Forschung und Lehre abgedeckt werden kann, ist immer nur relativ klein. "Japan-Zentren", in denen mehrere unbefristete Professuren mit unterschiedlicher disziplinärer Ausrichtung vereinigt wären, hätten demgegenüber eine größere inhaltliche Bandbreite, woraus sich u.a. auch mehr Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Fächern ergeben könnten.

Dr. Katja Schmidtpott ist seit April 2017 Professorin für Geschichte Japans an der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor war sie bereits an der FU Berlin und an der Philipps-Universität Marburg als Professorin im Fach Japanologie tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des modernen Japans. Weitere Infos finden sich auf der Seite der Fakultät für Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum.