Besuch einer Vogel-Koje und Erklärungen auf Friesisch (Quelle: Hauke Heyen)

1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Frisistik ist das Studium der friesischen Sprachen, Kulturen und Geschichte. In Flensburg konzentrieren wir uns vor allem auf das Nordfriesische und Nordfriesland. Die Sprachvarietäten, die wir aktiv lehren, sind das Fering-Öömrang (Föhr und Amrum), Frasch (Festland, vor allem südlich von Niebüll) und Sölring (Sylt). Kultur, Geschichte und Soziolinguistik beziehen sich in unserer Forschung und Lehre ebenfalls vor allem auf Nordfriesland; komparativ untersuchen wir aber auch das Friesische im Saterland (Niedersachsen) und Westfriesland (Niederlande), ebenso wie die anderen autochthonen Sprachen im Landesteil Schleswig (Niederdeutsch, Dänisch).

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Das Friesische Seminar besteht aus einer Professur sowie zwei halben Qualifikationsstellen. Darüber hinaus gibt es eine feste Zusammenarbeit in Forschung und Lehre mit dem Nordfriisk Instituut in Bredstedt. Daneben sind die KollegInnen in der Frisistik aktive Mitglieder im Flensburger Zentrum für kleine und regionale Sprachen (KURS) und im internationalen Historical Sociolinguistics Network. Aufgrund der Tatsache, dass ein Studium der Frisistik in Flensburg eine Immatrikulation in der Germanistik impliziert, finden sich relativ viele Studierende (ca. 100-120 pro Kalenderjahr) in den Einführungskursen (angeboten für Semester 3), aber nur wenige wählen Friesisch als Schwerpunkt. Ein eigenes Studienfach ist die Frisistik in Flensburg nicht (in Kiel allerdings sehr wohl), obwohl das Friesisches Seminar eine eigenständige Verwaltungseinheit in der Universität besitzt. Vorteil der Integration in die Germanistik ist eine gute Bekanntheit bei recht vielen Studierenden, Nachteil ist, dass unser Studium erst ab dem dritten Semester studierbar ist, und dann nur für drei Semester (kein Masterstudiengang), so dass sehr viel Stoff in kürzester Zeit vermittelt werden muss.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Friesisch ist die kleinste der Minderheitensprachen in Deutschland und regional sehr stark eingeschränkt - eine kleine Sprachinsel in Niedersachsen (Saterländisch) sowie kleine Sprachinseln in Nordfriesland (Föhr, Amrum, Risum-Lindholm, und vereinzelter in anderen Teilen von Nordfriesland). Durch zweisprachige Beschilderung in Nordfriesland und punktuellen Schulunterricht wird eine gewisse Sichtbarkeit der Sprache erzeugt. Auswirkungen auf ein Interesse an einem Studium lässt sich allerdings nicht belegen. An der Europa-Universität Flensburg gibt es kein Indiz dafür, dass wir weniger wertgeschätzt werden, als andere Fächer. Durch die geringen Studierendenzahlen sind wir sicherlich weniger einflussreich, als andere Fächer. In der Forschung, auch interdisziplinär, sind wir sicherlich auch mit den KollegInnen in den großen Fächern wettbewerbsfähig.

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Ja. Ganz konkret arbeiten wir in unserem Flensburger Zentrum für kleine und regionale Sprachen (KURS) mit KollegInnen zusammen, die zu anderen kleinen Sprachen lehren und forschen (Dänisch, Niederdeutsch, aber auch indigene Sprachen in Lateinamerika). Ein Master in Minority Studies, den wir bereits konzipiert hatten, wurde von den Institutionen der Universität als noch nicht förderungswürdig empfunden.

5. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Die Förderung der autochthonen Minderheitensprachen in Schleswig-Holstein ist politisch gewollt und nur durch diesen - parteiübergreifenden - politischen Willen wurde die 1989 eingerichtete, aber 1997 bereits durch Emeritierung ausgelaufene Professur für Nordfriesisch 2016 wiederbesetzt. Es gibt keinen Anlass zur Vermutung, dass Universität oder Landesregierung sich gegen die Förderung des Friesischen oder der Frisistik stellen werden, aber die Existenz als kleines Fach ist natürlich eine besondere Herausforderung, weil die Arbeit in Lehre, Forschung, Verwaltung und Vernetzung letztendlich von nur einem Paar Schultern getragen wird (die zwei halben wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen sind Qualifikationsstellen und können deshalb nicht arbeitsintensiv in der Verwaltung des Seminars verwendet werden).

Nils Langer, Leiter des Friesischen Seminars an der EUF (Quelle: Temmo Bosse)

Nils Langer ist seit 2016 Professor für Nordfriesisch, Minderheitenforschung und Minderheitenpädagogik am Friesischen Seminar der Europa-Universität Flensburg. Er ist zudem Direktor des Flensburger Zentrums für kleine und regionale Sprachen (KURS) und Mitglied des Kuratoriums des Nordfriisk Instituuts. Für weitere Informationen: www.uni-flensburg.de/friesisch; www.uni-flensburg.de/kurs