Ausgrabungen auf dem Ophel in Jerusalem ((C) P. van den Veen)

Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Die Studienrichtung Biblische Archäologie gibt es in Europa als eigenständiges Fach nur an wenigen Universitäten. Im deutschsprachigen Raum wird es im Rahmen der Evangelischen Theologie, ganz spezifisch jedoch im Fachbereich Altes Testament, angeboten. Dafür gibt es eine historische Erklärung. Als ab dem 18. Jh. archäologische Ausgrabungen im Mittelmeerraum zunahmen (wie z.B. in Pompeji und Herculaneum), teilte man das Gebiet in zwei Hälften auf. Erstens gab es da die klassische Archäologie, deren Vertreter sich primär auf antike Quellen (wie die homerischen Sagen über Troja und Mykene) stützten. Zweitens gab es den östlichen Mittelmeerraum, der vorwiegend aus biblischen Quellen bekannt war und Forschungsgegenstand von Bibelkundlern war und ist.

Erst nachdem die ägyptische Hieroglyphenschrift und die mesopotamische Keilschrift im frühen 19. Jh. entziffert wurden, entwickelten sich weitere Disziplinen (wie die Altorientalistik, Ägyptologie und später auch die Hethitologie). Durch Ausgrabungen in mehreren Ländern des Nahen Ostens und durch die Entdeckung und Übersetzung von vielen Inschriften etablierte sich allmählich ein umfassenderes Wissen über den Alltag der Menschen von damals und über die zeitgeschichtliche Zuordnung der alten Kulturen des Vorderen Orients.

Anders als die Vorderasiatische Archäologie (mit ihrer Fokussierung auf das gesamte Gebiet im östlichen Mittelmeerraum), begrenzt sich die Biblische Archäologie vordergründig auf das unmittelbare Umfeld der Südlevante, d.h. auf die Gebiete dies- und jenseits des Jordangrabens, und auf Libanon und Süd-Syrien, wie auch auf die Sinai-Halbinsel. Hier befand sich nach der biblischen Überlieferung die antike Heimat der Israeliten und ihren verwandten Sippen und hier entstand auch später das Christentum.

Archäologisch gesehen bildet die Biblische Archäologie die geographische und kulturelle Brücke zwischen der Ägyptologie, Altorientalistik und der Hethitologie. Das ist nicht weiter verwunderlich. Denn durch die Südlevante verliefen essenzielle Handelsstraßen, wie die Via Maris entlang der Mittelmeerküste und der Königsweg durch den Jordangraben. Diese verbanden Ägypten im Süden mit Anatolien (der heutigen Türkei) und weiter östlich mit Mesopotamien und Persien (bis nach Afghanistan und zum Industal) und in südöstlicher Richtung mit Arabien. Aus diesen Gebieten wurden exotische Gewürze wie Myrrhe, Weihrauch, Halbedelsteine wie Karneol, aber auch Pferde eingeführt, während Leinen und Papyrus aus Ägypten und Wein, Olivenöl und Bitumen aus Palästina exportiert wurden. Über die Schifffahrt gab es rege Handelsbeziehungen mit Zypern, den griechischen Inseln und phönizisch-punischen Kolonien in Spanien und Nord-Afrika. Als Folge dessen prägten ausländische Händler und Eroberer (die immer wieder versuchten die Handelswege zu kontrollieren) Jahrhunderte lang die Kultur und Religionen der Südlevante.

Obwohl die Biblische Archäologie gelegentlich auch frühere und spätere Perioden mitberücksichtigt, fokussiert sie sich doch primär auf die biblischen Epochen, von der Volkswerdung der Israeliten im 2. Jahrtausend v. Chr. bis in die frühe Römerzeit, als Jerusalem als jüdische Tempelstadt aufhörte zu existieren.

Wie in verwandten archäologischen Fächern beschäftigt die Biblische Archäologie sich mit einer Vielzahl von archäologischen Teilbereichen, wie Kultur- und Religionsgeschichte, historische Topographie, Epigraphik, Numismatik, Archäobotanik und Archäometallurgie. Zudem spielt ihre Beziehung zur Theologie eine ganz besondere Rolle, indem sie sich sowohl mit der schriftlichen Überlieferung des Alten- und Neuen Testaments wie auch mit dem kulturellen und religiösen Umfeld, worin Israel und das frühe Christentum entstanden, befasst. Durch die Beschäftigung mit Inhalten der Nachbardisziplinen (wie Inschriften und Ausgrabungsergebnisse) werden ihre eigenen Inhalte stetig vertieft. Der offene Austausch und Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Vorderasiatischen Archäologie, Orientalistik und Ägyptologie ist deshalb unverzichtbar.

Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Nur selten in Deutschland gibt es eine so enge Verknüpfung mit den Nachbardisziplinen wie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Durch Zusammenarbeit der Evangelischen und Katholischen Fakultäten war es möglich, eine umfangreiche Bibliothek zu verwirklichen. Mit ihren Schwerpunkten in der Hebraistik, Altorientalistik, Vorderasiatischen Archäologie, Ägyptologie, Christlichen Archäologie, Klassischen Archäologie, Vor- und Frühgeschichte, Byzantinistik, in den historischen Fächern, der Latinistik und Graecistik, Geografie, Edelsteinforschung, Klimaforschung, usw. gibt es eine hervorragende Vernetzung innerhalb der Hochschule, die zu einer gegenseitigen Bereicherung der Fächer geführt hat. Zu erwähnen ist aber auch die Zusammenarbeit mit dem Leibniz Zentrum für Archäologie (LEIZA). Außerdem bietet die Universität die Möglichkeit, naturwissenschaftliche Disziplinen in der Forschung mit einzubeziehen, die bei wissenschaftlichen Analysen nötig sind. Enge Kooperationen werden auch mit der Hochschule Mainz, vor allem mit i3mainz – dem Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik, gepflegt, wie auch mit dem Bibelhaus Erlebnis-Museum Frankfurt, mit dem zahlreiche Ausstellungen durchgeführt wurden.

Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Die Biblische Archäologie wird in der Öffentlichkeit oft wahrgenommen. Beispielsweise in TV-Sendungen des ZDF (wie im Dokumentarfilm „Abraham, Vater der Menschlichkeit” und in der Terra-X-Sendung „Sturm auf Jerusalem”), wie auch in der Zusammenarbeit von ARTE mit dem belgischen und niederländischen Fernsehen (im preisgekrönten Film „Footsteps of Goliath”) wurden Ergebnissen der Arbeit vorgestellt. Zudem haben mehrfach Mainzer Forscher*innen an diesen Produktionen als Fachberater*innen mitgearbeitet. In populärwissenschaftlichen Magazinen wie Welt und Umwelt der Bibel, Antike Welt, Damals und Spektrum der Wissenschaft und Biblical Archaeology Review, wurde regelmäßig auf unsere Arbeit bezuggenommen. Zahlreiche Ausstellungen wurden von uns mitgestaltet bzw. konzipiert (wie z.B. in Mainzer Museen, in Münster, im Bibelhaus Erlebnis Museum Frankfurt, im Bibelmuseum Wuppertal und in Evangelischen Tagungsstätten wie Löwenstein und dem Schönblick in Schwäbisch Gmünd). Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist also enorm.

Dies trifft jedoch weniger auf die deutsche Hochschullandschaft zu, wo die Wahrnehmung deutlich geringer ausfällt. Das Fach wird zurzeit lediglich an vier Universitäten in Deutschland unterrichtet (Mainz, Tübingen, Kiel und Leipzig), wobei der Lehrstuhl in Mainz seit Anfang 2023 unbesetzt ist und aus Kostengründen nicht wieder ausgeschrieben wurde. Geschichtlich bedingt haben ihre Lehrstuhlinhaber in der Regel die Archäologie und das Alte Testament zu vertreten, was das Lehrangebot inhaltlich stark eingrenzt. Die Doppelbelastung führt zur Einschränkung des Lehrangebots und nicht zuletzt der Forschungstätigkeit.

Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Die Umsetzung von Lehre und Forschung in der Biblischen Archäologie ist ohne eine enge Zusammenarbeit mit verwandten Disziplinen wie die Ägyptologie, Altorientalistik, Vorderasiatische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie, kaum denkbar. Wie oben bereits betont wurde, war die Mischkultur der Südlevante geschichtlich bedingt mit der Umwelt anderer Kulturen des Nahen Ostens stark verwoben.

Wissenschaftlich fundierte Ausgrabungen lassen sich heute ebenso wenig ohne eine klare Vernetzung mit anderen Disziplinen (wie Geologie, Architekturwissenschaft, Archäobotanik, Archäozoologie, Metallurgie, Physik, Numismatik, Epigraphik, Ikonographie), weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene, durchführen. Oft gibt es in einzelnen Bereichen weltweit nur wenige Spezialist*innen.

So wäre die Veröffentlichung unserer Ausgrabungen in Tell el-Oreme am See Gennesaret ohne die Zusammenarbeit mit den Universitäten Bern, Helsinki und Leiden undenkbar gewesen, woran sich Forscher*innen aus Finnland, Schweiz, Niederlande, Deutschland, Israel, Jordanien und Großbritannien beteiligt haben.

Natürlich ist der genaue Umfang der Kooperation jeweils von den einzelnen Projekten abhängig.

Welche Bedeutung haben außeruniversitäre (Forschungs-)Institute für Ihr Fach?

Obwohl die meisten Kooperationspartner an Universitäten oder Fachhochschulen angegliedert sind, gibt es für spezielle naturwissenschaftliche Analysen außeruniversitäre Partner, wie z.B. LEIZA oder Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie Mannheim, die dann gesondert angefragt werden müssen.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Faches? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Das Fach könnte für die Zukunft viele Perspektiven bieten. Wohl kaum ein Land der Welt wird derzeit so intensiv erforscht wie das Land Israel mit seinen über 6000 Ausgrabungsstätten. Diese Stätten sind jedoch bisher nur zu 15–20% erforscht worden. Zudem wurden viele Ausgrabungen kaum zufriedenstellend ausgewertet, so dass künftig stärker die Betonung auf der wissenschaftlichen Auswertung bereits getaner Arbeit gesetzt werden muss. Da wir enge Verbindungen mit den israelischen Universitäten Tel Aviv und Ramat Gan (Bar-Ilan), Jerusalem, Beerscheba und Haifa unterhalten, könnte die Biblische Archäologie in Mainz bei der Auswertung eine wesentliche Rolle spielen.

Die Ausstattung und Infrastruktur gestalten sich jedoch gleichwohl schwierig. Noch bleibt der Lehrstuhl unbesetzt und ist eine Neuausschreibung aktuell nicht geplant. Die Lehre wird zurzeit nur von einem Privatdozenten ohne Anstellung (Pieter Gert van der Veen) und von wechselnden Lehraufträgen durchgeführt. Während die dem früheren Lehrstuhl zugeordnete Assistentenstelle weiterhin existiert, wurde sie jedoch aus Zeitgründen für die alttestamentliche Lehre (Exegese) benötigt. Selbst bei einer Besetzung des Lehrstuhls, ist das aktuell zur Verfügung stehende Deputat auf lediglich 4 SWS beschränkt. Während die Infrastruktur fehlt, stehen zurzeit nur 2000 € für Anschaffungen (Bücher, u.a.) zur Verfügung. Das ist viel zu wenig. Auch das frühere Institut für Biblische Archäologie (aus den 1950–1960er Jahre), das im Rahmen der Bleibeverhandlungen von Prof. Arnulf Kuschke zur Verfügung gestellt wurde, ist nicht fortgeführt worden. Dabei hätte es aber genügend kompetente Fachkräfte gegeben, um die Arbeit zufriedenstellend fortzuführen und auszubauen. Es sei an dieser Stelle beispielsweise auf die international anerkannten Arbeiten von Prof. em. Wolfgang Zwickel zur religiösen Umwelt des alten Israel und den beschrifteten Siegeln und Tonbullen aus Israel und Jordanien von Pieter Gert van Veen hingewiesen. Daraus hätte sich weit mehr machen lassen. Auch die vielen Veröffentlichungen in anerkannten Fachzeitschriften und Reihen (wie die Weiterführung der bekannten Reihe Ägypten und Altes Testament), sind klare Zeugen der qualitativ hochwertigen Arbeit.

Sollte der Lehrstuhl irgendwann neubesetzt werden, so wird die interdisziplinäre Ausgestaltung jedoch so lange problematisch bleiben, bis die Infrastruktur grundlegend neukonzipiert werden kann. Denn die bisherige Anbindung an die Evangelische Kirche und alttestamentliche Forschung (die bisher zwingend erforderlich war) wird bei der Besetzung mit nur einer Person, die gleichzeitig die Archäologie mitzuverantworten hat, angesichts der vielen archäologischen Methoden und wissenschaftlichen Zugängen, zeitlich nicht mehr zu bewältigen sein.

Zusammenfassend darf also festgehalten werden, dass die Biblische Archäologie als Fachrichtung hohes wissenschaftliches Potential hat und auch breite Beachtung findet. In Mainz könnte sie weiterhin als Verbindungsglied zwischen anderen Disziplinen dienen. Aber um eine qualitativ hochwertige Forschung und Lehre zu gewährleisten, müssen unbedingt konzeptionelle Änderungen vorgenommen werden.

Pieter van den Veen ((C) Thinking Man Films)

Pieter Gert van den Veen ist Privatdozent am Seminar für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine akademische Laufbahn führte ihn zuvor an Stationen in Belgien, Großbritannien, dem Tschad, der Schweiz und Israel. Seit dem Jahr 2009 betreibt Pieter Gert van den Veen regelmäßig archäologischen Feldstudien an der Nablus Road in Ost-Jerusalem. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen beschriftete Siegel aus der Eisenzeit in Israel und Jordanien, westsemitische Epigrafik, Archäologie Judas während der Königszeit sowie ägyptische Funde im Oststadtteil Jerusalems. Weitere Informationen