Mein Fach ist der Bergbau oder genauer gesagt das Bergbauingenieurwesen, eine Disziplin, die sich mit der Planung, dem Betrieb und der Schließung von Bergwerken sowohl im Tiefbau als auch im Tagebau beschäftigt. Im Kern geht es um die primäre Produktion von Rohstoffen, die in der Kreislaufwirtschaft von großer Bedeutung sind. Angesichts eines wachsenden wirtschaftlichen Bedarfs und der Abgänge aus der Kreislaufwirtschaft bleibt die Gewinnung primärer Rohstoffe unerlässlich.
Die Aufgaben im Bergbau umfassen die Schaffung und Sicherung von Hohlräumen, den Materialtransport sowie die notwendige Infrastruktur. Besonders wichtig ist dabei eine nachhaltige Praxis, die wirtschaftliche, umweltfreundliche und sozialverträgliche Ansätze berücksichtigt, wobei Ressourceneffizienz und Sicherheit oberste Priorität haben. Die Unsicherheiten im Untergrund erfordern von uns eine hohe Anpassungsfähigkeit, da die geologischen Bedingungen oft nur fragmentarisch bekannt sind.
Darüber hinaus sind die Dimensionen im Bergbau oft größer als im herkömmlichen Ingenieurwesen, was häufig den Einsatz von Spezialmaschinen erfordert. Diese Maschinen sind in der Regel robuster, leistungsfähiger und variieren in ihrer Größe – oft sind sie größer als „normale“ Maschinen, manchmal aber auch kleiner, um den spezifischen Anforderungen gerecht zu werden.
Der Bergbau ist außerdem ein interdisziplinäres und internationales Feld, das verschiedene Bereiche wie Geowissenschaften, Maschinenbau sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vereint. Bergbauingenieure arbeiten häufig an den Schnittstellen dieser Disziplinen und nehmen eine generalistische Rolle ein.
Internationale Aspekte spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle im Bergbau. Die Rohstoffversorgung ist durch globale Markteinflüsse, Organisationen und Kooperationen geprägt. Dies zeigt sich auch in unserem Masterstudiengang und in der Zusammenarbeit innerhalb der Society of Mining Professors, die akademische Akteur:innen weltweit vernetzt und den Austausch von Wissen und Best Practices fördert.
Als Wissenschaft ist die Bergbaukunde primär eine funktionale Wissenschaft, die sich mit der Systematisierung und Beschreibung des Bergbaus beschäftigt. Spannend ist, dass in vielen Punkten der Bergbau eine größere Ähnlichkeit mit Agrar- und Forstwissenschaften hat als mit weiter entfernten Ingenieurwissenschaften. (vgl. Fettweis 2004)
An der Technischen Universität Clausthal, die ihren Ursprung als Montanuniversität hat, profitieren wir von einer starken Basis des Bergbaus in Verbindung mit modernen Forschungsfeldern, was uns ein Alleinstellungsmerkmal im Land verleiht. Das zentrale Leitthema unserer Arbeit ist die Circular Economy, was uns nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Forschung eng mit anderen Disziplinen verbindet.
Wir fungieren häufig als Bindeglied im untertägigen Raum, was eine besondere Herausforderung darstellt, aber auch viele Chancen für interdisziplinäre Kooperationen bietet. Besonders hervorzuheben ist die Internationalisierung unseres Studienangebots: Seit 2014 bieten wir einen englischsprachigen Masterstudiengang an, der zahlreiche internationale Studierende anzieht. Dies erhöht die Vielfalt und den Austausch innerhalb unserer Studierendenschaft und bereichert unser Lehrumfeld. Im Bachelorstudiengang findet die Lehre überwiegend auf Deutsch statt, wobei wir auch hier viele internationale Studierende haben, was zusätzlich zur interkulturellen Dynamik beiträgt.
Die TU Clausthal fördert verschiedene Querverknüpfungen innerhalb der Circular Economy und verknüpft die Bereiche wie den Bergbau mit anderen Disziplinen wie der Informatik und den Wirtschaftswissenschaften. In interdisziplinären Projekten können so ohne großen Aufwand Kooperationen entstehen, die Forschung und Lehre bereichern und ein innovatives, dynamisches, Umfeld schaffen.
Ich beurteile diese Rahmenbedingungen als äußerst positiv, da sie nicht nur die akademische Landschaft bereichern, sondern auch in der Lage sind, relevante Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu finden. Die Vielzahl an Perspektiven, die durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit entsteht, sowie der internationale Austausch, stärken zudem die Sichtbarkeit und Attraktivität unseres Fachs.
In der Öffentlichkeit wird der Bergbau oft als rückständig, schmutzig und gefährlich wahrgenommen. Diese Wahrnehmung ist ein großes Hindernis, das wir überwinden müssen. Viele Menschen denken, dass „man Bergbau noch studieren kann“ oder glauben, dass der Bergbau in Deutschland nicht mehr existiert, insbesondere nach der Schließung der deutschen Steinkohle bis 2018, die nachhaltige Spuren im allgemeinen Bewusstsein hinterlassen hat.
Dabei ist es wichtig klarzustellen, dass der Bergbau in Deutschland nach wie vor eine bedeutende Rolle spielt. Wir benötigen nach wie vor viele Arbeitskräfte in diesem Sektor – sowohl akademisch ausgebildete Personen als auch Fachkräfte mit praktischer Erfahrung. Neben der Rohstoffgewinnung, die von kleinen Steinbrüchen bis hin zu großen untertägigen Bergwerken im Kali- und Salzbereich reicht, stehen wir auch vor der Herausforderung, Endlager für hochradioaktiven Atommüll zu errichten und die Schließung des Bergwerks Asse sicherzustellen. Diese Themen erfordern fundierte Expertise und tragen zur Notwendigkeit einer nachhaltigen Bergbaupraxis bei.
Außerhalb der „Rohstoffblase“ wird der Bergbau im deutschen Hochschulsystem oft als akademische Disziplin unterschätzt. Viele erkennen nicht, dass wir komplexe Probleme lösen müssen, die mit der Rohstoffgewinnung und der damit verbundenen Technik und Umwelt zu tun haben. Dieses negative Standing wirkt sich besonders auf die Rekrutierung neuer Studierender aus.
Insgesamt sehe ich, dass das Fach Bergbau nicht angemessen wahrgenommen wird – weder in der Öffentlichkeit noch innerhalb des deutschen Hochschulsystems. Um diese Wahrnehmung zu verändern, müssen wir aktiv aufklären und die Relevanz und die Fortschritte, die wir im Bereich des nachhaltigen Bergbaus erzielen, sichtbar machen.
Ja, ich habe den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen erheblichen Mehrwert für das Bergbauingenieurwesen bedeutet. Aufgrund seiner bereits geschilderten interdisziplinären Natur ist der Bergbau nicht in der Lage, ohne die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen effektiv zu agieren. Interdisziplinäre Projekte und auch gemeinsame Studienprogramme sind daher ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit und tragen zur Bereicherung unserer Lehre und Forschung bei.
Im Kontext der kleinen Fächer ist ein besonders wichtiges Thema die Studierendengewinnung und die Sichtbarkeit des Faches. Hierbei sehe ich ähnliche Problematiken, da wir im Vergleich zu sehr großen Fächern wie Medizin, Psychologie und Jura in den Medien oft nicht ausreichend präsent sind. Eine sinnvolle Kooperation könnte zwischen kleinen Fächern in ähnlichen Bereichen entstehen. Mit dem Bergbau sind Fächer wie Metallurgie, Mineralogie, Markscheidekunde, Lagerstättenlehre, Gießereitechnik, Geochemie und Erdöl-Ingenieurwesen eng verwandt und könnten von einer engeren Zusammenarbeit profitieren. Für alle kleinen Fächer wäre ein regelmäßiger Dialog über Best Practices sicherlich von Vorteil, um gemeinsame Strategien zu entwickeln und die Sichtbarkeit sowie die Attraktivität unserer Fächer zu erhöhen.
Die meisten Forschungstätigkeiten im Bereich des Bergbauingenieurwesens finden an Universitäten statt. Dennoch spielen außeruniversitäre Forschungsinstitute eine Rolle, insbesondere im Bereich der Geowissenschaften. Diese Institute sind oft spezialisiert auf bestimmte Forschungsfragen und bringen wertvolle Expertise ein, die für die Weiterentwicklung unseres Fachs von großer Bedeutung ist.
Die Forschung in Unternehmen ist ebenfalls entscheidend, erfolgt aber häufig in einem eher abgegrenzten Rahmen und nur eingeschränkt in Kooperation mit Universitäten. In vielen Fällen werden die Ergebnisse interner Forschungsprojekte primär im Hinblick auf Marktanteile und Wettbewerbsvorteile genutzt, während eine Veröffentlichung in wissenschaftlichen Kontexten oft ausbleibt.
Ein zusätzliches Augenmerk liegt auf den außeruniversitären Forschungsinstituten, die eine Sonderrolle im Endlagerbergbau einnehmen. Diese Institute sind Ansprechpartner für die Entwicklung und Forschung im Bereich der geologischen und technischen Aspekte der Endlagersysteme für radioaktive Abfälle. In diesem Bereich ist die Zusammenarbeit mit den Universitäten wiederum höher.
Die Zukunft des Bergbauingenieurwesens wird stark von der gesellschaftlichen Akzeptanz des Bergbaus abhängen. Eine wichtige Herausforderung besteht darin, ein Bewusstsein für die Rolle des Bergbaus in der gesamten Rohstoffversorgung und für transparent geregelte Lieferketten zu schaffen. Wenn wir faire Produkte und nachhaltige Praktiken anstreben, ist es unerlässlich, den Bergbau im eigenen Land nicht auszuschließen, sondern aktiv als verantwortungsvolle Quelle für Rohstoffe zu berücksichtigen. Dafür braucht es die gesellschaftliche Akzeptanz und auch minimalinvasive Betriebe.
Zusätzlich zur Weiterentwicklung der nachhaltigen Gewinnung wird weiterhin in deutschen Bergbauforschung der Nachbergbau eine wichtige Rolle spielen. Deutschland hat hier viel Potenzial, dank der langjährigen Erfahrung mit Bergwerken und der vorhandenen Expertise. Eine nachhaltige Schließung von Bergwerken sowie innovative Lösungen zur Mehrfachnutzung und zur Überwachung der geschlossenen Bergwerke können hier zentrale Themen sein.
Im Bereich der Lehre bleibt es wichtig, die Kompetenzorientierung zu stärken und so Bergbauingenieur:innen und Personen in verwandten Bereichen auszubilden, die in der Zukunft handlungsfähig sind. Wir sind bereits auf einem guten Weg mit modernen Lehransätzen, aber die Weiterentwicklung darf nicht stillstehen. Innovative Lehrmethoden und -inhalte sind notwendig, um unsere Studierenden optimal auf die Herausforderungen und Anforderungen der Arbeitswelt der Zukunft vorzubereiten.
Für eine positive Entwicklung unseres Fachs ist es entscheidend, die Relevanz von Bergbauunternehmen, Fachkräften und der damit verbundenen Expertise zu erkennen und zu fördern. Dies kann durch verstärkte Kooperationen zwischen Hochschulen und der Industrie sowie durch die Sichtbarmachung der Bedeutung des Bergbaus als integralen Bestandteil einer nachhaltigen Wirtschaft geschehen. Zudem ist ein aktiver Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erforderlich, um eine zukunftsfähige Rohstoffstrategie zu entwickeln.
Fettweis, Günter B. (2004). Zur Geschichte und Bedeutung von Bergbau und Bergbauwissenschaften. 21 Texte eines Professors für Bergbaukunde zur Entwicklung des Montanwesens in Europa und speziell in Österreich. 2. Aufl. Wien, Verl. der Österreichischen Akad. der Wiss.
Angela Binder ist seit dem Jahr 2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bergbau der Technischen Universität Clausthal tätig. Im Frühjahr 2024 legte sie ihre Dissertation unter dem Titel „Weiterentwicklung der montanistischen Lehre durch kompetenzorientierte Ausgestaltung im untertägigen Bergbau“ vor. Aktuelle Schwerpunkte ihrer Forschung liegen in den Bereichen nachhaltige Bergbaupraxis, Blue Mining, bergbauliche Fachdidaktik sowie Ingenieursdidaktik. Frau Doktor Binder ist ebenso in der Lehre wie in der akademischen Selbstverwaltung der TU Clausthal vielfältig engagiert und war zudem mit Vorträgen bereits auf nahezu allen Kontinenten dieser Welt zu Gast. Weitere Informationen Dr.-Ing. Angela Binder (tu-clausthal.de)