1. Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Archäometrie umfasst die Entwicklung und den Einsatz naturwissenschaftlicher Methoden zur Lösung kulturhistorischer Fragestellungen. Dies schließt die fächerübergreifende Mitwirkung der Biowissenschaften, Chemie, Geowissenschaften und Physik von naturwissenschaftlicher Seite sowie der archäologischen Disziplinen, Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Restaurierung von kulturhistorischer Seite ein. Die Archäometrie ist auf naturwissenschaftlicher Seite jedoch nicht auf die pure Anwendung von naturwissenschaftlichen Methoden auf die archäologischen Fragestellungen beschränkt, sondern es müssen Methoden zur Untersuchung des archäologischen Materials sowohl anorganischer als auch organischer Natur neu entwickelt, modifiziert und optimiert werden, da sich das Untersuchungsmaterial deutlich von demjenigen der naturwissenschaftlichen Fächer wie Chemie bzw. Geochemie, Physik oder Materialkunde unterscheidet und oft wesentlich komplexerer Natur ist. Auch bei Geländesurveys findet sich eine von der physischen Geographie oder Geophysik unterschiedliche Situation vor, die die Anpassung der naturwissenschaftlichen Verfahren an die speziellen Gegebenheiten erfordert. In der deutschen Forschungslandschaft ist das Fach Archäometrie seit langen Jahren als solches bekannt und es sind zahlreiche Arbeitsgruppen oder einzelne Wissenschaftler auf dem Gebiet tätig. Allerdings kann die Bezeichnung Archäometrie oder auch Naturwissenschaftliche Archäologie nur den Dachbegriff liefern. Daneben gibt es verschiedene Spezialisierungen, die sich auch in eigenen Konferenzen und Fachpublikationen abbilden, z.B. Archäometallurgie, Geoarchäologie, Archäokeramik, Lumineszenzdatierung, (naturwissenschaftliche) Restaurierungswissenschaft, (naturwissenschaftliche) Denkmalpflege u.e.m.

2. Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Am Deutschen Bergbau-Museum in Bochum als Leibniz-Forschungsmuseum ist die Archäometrie in eine Forschungsabteilung eingebunden. Daher besteht hier die Möglichkeit zur Drittmitteleinwerbung vergleichbar mit den Universitäten, es existiert Fachexpertise, geeignete Infrastruktur wie analytische Labore, Präparationslabore, Ausstattung und Fahrzeuge für Geländearbeiten, museumseigene Informations- und Datenbanktechnologie, eine fachspezifische Bibliothek u.v.a.m. Weiterhin wird den Wissenschaftlern des Forschungsmuseums der notwendige Freiraum für Forschungsprojekte eingeräumt. Bezüglich der Lehre ermöglichte die Ruhr-Universität Bochum mit einer außerplanmäßigen Professur für Archäometrie sowie mit zwei Honorarprofessuren die Einbindung sowohl in die Archäologische Wissenschaften als auch die Geowissenschaften, und dies im gesamten Lehrformenspektrum. Auch die inhaltliche Einbringung der Archäometrie in die curricularen Konzepte sowie die institutionelle Mitarbeit ist vom Institut für Archäologische Wissenschaften gewünscht. Abschlussarbeiten mit archäometrischen Inhalten ermöglichen die Eignungssondierung und Förderung von Studierenden für das Fach Archäometrie. Da die Zahl der Studierenden, die sich für die Archäometrie interessiert, immer noch eher klein ist, bietet sich die exklusive Möglichkeit, besonders interessierte und engagierte Nachwuchswissenschaftler zu fördern, dabei aber nicht über den Bedarf hinaus auszubilden.

3. Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Die Archäometrie ist ein transdisziplinäres Fach und arbeitet nicht nur fächerübergreifend, sondern zudem an der Schnittstelle zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Die fast nicht vorhandenen Stellen, die den archäometrisch forschenden Wissenschaftlern in den deutschen Forschungsinstitutionen zur Verfügung stehen, sind ausschließlich den archäologischen Fächern und damit geisteswissenschaftlichen Fakultäten zugeordnet. Die operativen Bestandteile der archäometrischen Forschung sind jedoch naturwissenschaftlichen Charakters, sodass sich die infrastrukturelle Situation der Forschenden sehr schwierig gestaltet. Bibliotheken, die archäometrische Fachliteratur und Zeitschriften führt, gibt es nur sehr wenige, an den Universitäten finden sie sich weder in den archäologischen noch den naturwissenschaftlichen Bibliotheken. Überwiegend halten sich die archäometrisch arbeitenden Wissenschaftler mit Drittmittelförderungen über Wasser oder besetzen Funktionsstellen in den Naturwissenschaften, die ihnen wenig Zeit für ihre spezielle Forschung lassen. Ordentliche Lehrstühle an den Universitäten gibt es für das Fach nicht, die Professuren sind, sofern ausgewiesen archäometrisch, i.d.R. außerplanmäßige Professuren oder Honorarprofessuren. Das Fach ist also ein Nischenfach für besonders Engagierte und Ambitionierte, wird überwiegend von Mittelbauwissenschaftlern betrieben und wird von den ordentlichen Lehrstühlen der Fakultäten kaum genügend gefördert, da sie aus dem Fokus der Hauptforschungsrichtungen der Institute herausfallen. Dementsprechend findet die Archäometrie auch wenig Anklang in der Öffentlichkeit, was sich an wenig wahrgenommenen ausgerufenen Presseterminen oder an geringer Resonanz der Presse auf Pressemitteilungen ablesen lässt.

4. Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr eigenes Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Die Archäometrie ist per se ein Netzwerk von verschiedenen Fächern, sowohl interdisziplinär in den Naturwissenschaften (Geowissenschaften, Chemie, Materialkunde, Metallkunde, Materialprüfung etc.) und der Informatik (im Bereich Datenbanken) als auch transdisziplinär zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Sie nähert sich ihrer Aufgabenstellung also von vielerlei Seiten. Transdisziplinäres Arbeiten bedeutet einerseits Herausforderung, andererseits aber auch Bereicherung, da sich Konventionen der Fächer sowie Sprachgebrauch deutlich unterscheiden. Sie kann somit auch nicht von einer der beiden Seiten durch einfaches Quereinsteigen betrieben werden, sondern benötigt die akademische Ausbildung in der gemeinsamen Schnittmenge. Da nicht nur die Sprache, sondern die verwendeten Kommunikationselemente in den geisteswissenschaftlichen Fächern und den naturwissenschaftlichen Fächern sehr unterschiedlich sind, bedarf es auch hier einer Einübung in der Schnittmenge.

5. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachs? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Das Fach hat sich in den letzten Jahren international stark entwickelt. Es gibt großes Engagement in allen europäischen und auch außereuropäischen Ländern. Es existiert heute ein Reichtum an Fachtagungen und eine große Zahl an renommierten Fachzeitschriften. In Deutschland existieren eine Fachgesellschaft (Gesellschaft für Naturwissenschaftliche Archäometrie GNAA) sowie Arbeitskreise innerhalb von naturwissenschaftlichen Gesellschaften (z.B. Arbeitskreis Archäometrie der Gesellschaft Deutscher Chemiker GDCh, Arbeitskreis Archäometrie und Denkmalpflege der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft DMG) oder in Form von Arbeitsgemeinschaften. Die Nachwuchswissenschaftler in der Archäometrie sind durch starkes eigenes Engagement für ihr Fach untereinander stark vernetzt. Durch die zahlreichen Neuerungen auf dem Analytikmarkt der letzten Jahre, welche in die Richtung signifikanter Vereinfachung bis hin zur Minimalisierung von Analysegeräten und deren Anwendungen gehen, erscheint die archäometrische Expertise im Sinne von naturwissenschaftlich durchdachter Untersuchungsstrategie und fundierter hochsensibler Analytik derzeit von den wissenschaftlichen Stakeholdern aus der Archäologie nicht mehr in dem Ausmaße wertgeschätzt wie zuvor. Diesem Trend durch die unvermindert hohe Qualität ihrer Forschungsarbeiten entgegenzuwirken ist eine entscheidende Aufgabe der derzeit aktiven Wissenschaftler im Hinblick auf die Zukunft der Archäometrie als kleines, aber feines Fach.

Dr. Sabine Klein ist seit 2016 außerplanmäßige Professorin der Ruhr-Universität Bochum, zuvor an der Goethe-Universität Frankfurt. Am Deutschen Bergbau-Museum in der Abteilung Forschung ist sie gleichzeitig seit 2016 als Leiterin des Forschungsbereiches "Archäometallurgie" tätig. Zuvor studierte und habilitierte sie an der Goethe-Universität Frankfurt, wo sie seit 1988 u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Auslandsaufenthalte führten sie in die U.S.A. an die Smithsonian Institution in Washington, DC, das National Institute of Standards and Technology (NIST) in Gaithersburg, MD und das Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, MA. Weitere Infos zu ihrer Person finden sich auf der Institutsseite der Ruhr-Universität Bochum sowie auf der Seite des Deutschen Bergbaumuseums Bochum.